90 Jahre Solingen Ohligs – ein Kreis, der sich schließt

Ohligs · Der westlichste Stadtbezirk Solingens blickt auf eine bewegte Geschichte zurück und hofft auf die Zukunft.

  Blau ist die Hoffnung: Kurz vor der Eröffnung des Galileums wurde der alte Kugelgasbehälter noch neu angestrichen.

Blau ist die Hoffnung: Kurz vor der Eröffnung des Galileums wurde der alte Kugelgasbehälter noch neu angestrichen.

Foto: Guido Radtke

Wenn Marc Westkämper nur mal kurz etwas erledigen möchte, schwingt sich der Bezirksbürgermeister von Ohligs / Aufderhöhe / Merscheid mit Vorliebe auf sein Fahrrad. Im Westen der Stadt sind die Wege nämlich kurz – und dazu kommt, dass der größte Solinger Stadtbezirk, zumindest im Vergleich zur Stadtmitte, doch eher ebenerdig beschaffen ist. Ein Umstand, der das Fortkommen auf zwei Rädern naturgemäß leichter macht. Wobei die topografischen Verhältnisse im Unterland alles andere als sinnbildlich stehen für die Geschichte von Ohligs. Denn die ist vielmehr durch ein ständiges Auf und Ab gekennzeichnet, obwohl es die selbstständige Stadt Ohligs bei Lichte betrachtet gerade einmal 38 Jahre lang gegeben hat.

Im Jahr 1891 wurde die Stadt Merscheid in Ohligs umbenannt. Was seinerzeit durchaus folgerichtig erschien. Schließlich hatte das einstmals nur aus wenigen Häusern bestehende Ohligs dem „größeren Bruder“ Merscheid zu diesem Zeitpunkt längst den Rang abgelaufen. So verfügte der „Emporkömmling“ zum Beispiel seit 1867 über einen eigenen Bahnhof. Und als 1890 ein neues Rathaus für die Stadt Merscheid geplant wurde, da entschieden sich die Stadtväter für ein Grundstück in Ohligs, das wenig später dann auch Namensgeber der aufstrebenden Kommune an der Nahtstelle zwischen dem Bergischem Land sowie dem Rheinland wurde.

Um es kurz zu machen: Ein langes Leben war der unabhängigen Stadt Ohligs nicht beschieden. Eine Generation später, Ende der 1920er Jahre, war es nämlich mit der Selbstständigkeit schon wieder vorbei. Bei der Gründung der neuen Großstadt Solingen wurde Ohligs von dem größeren Nachbarn geschluckt – wobei die paar Jahrzehnte zwischen 1891 und 1929 Spuren hinterlassen haben, die sich bis heute im Solinger Westen mühelos erkennen lassen.

Das weiß kaum jemand besser als Marc Westkämper, der die Geschicke des Stadtbezirks seit 2014 mitlenkt. Denn wenn der CDU-Politiker und Rechtsanwalt von seinem Büro mit dem Fahrrad ins Ohligser Zentrum startet, passiert er auf wenigen Metern etliche Marksteine der historischen Entwicklung, die heutzutage parallel so etwas sind wie ein Versprechen auf die Zukunft.

Da wäre zuerst die frühere Schmuddelecke des Stadtteils. Ohligs-Ost zählte über Jahrzehnte hinweg nicht eben zu den begehrten Wohnquartieren. Gewerbe und mehrheitlich schmucklose Gebäude – die Gegend hinter dem Ohligser Bahnhof, der 2007 in „Solingen Hauptbahnhof“ umgetauft wurde, fristete jenes Schicksal, das den Bahnhofsgegenden in vielen Städten zuteil wird: Man ließ es links liegen.

Das ist seit ein paar Jahren anders. Ohligs-Ost ist mittlerweile so etwas wie das Boomviertel für ganz Solingen. Mit dem Software-Entwickler Codecentric hat sich ein international agierendes Unternehmen im Quartier angesiedelt. Dazu gesellt hat sich seit Anfang Juli zudem das Galieum, die neue Solinger Sternwarte mit Planetarium, die im alten Kugelgasbehälter der Stadtwerke Solingen realisiert wurde. Und am Hinterausgang des Hauptbahnhofs wird demnächst ein modernes Hotel entstehen, das den Standort Ohligs ebenfalls weiter nach vorne bringen dürfte.

„In Ohligs-Ost ist in den vergangenen Jahren wirklich viel passiert“, sagt Bezirksbürgermeister Westkämper, der darum aber nicht die andere Bahnhofsseite aus den Augen verliert. Wir sind inzwischen nämlich angekommen in der guten Stube von Ohligs. Rund um die Düsseldorfer Straße finden sich bis zum heutigen Tag beeindruckende Gründerzeitfassaden, die einen Eindruck vermitteln vom Wohlstand ihrer Erbauer.

Und die nun, nach über 100 Jahren, die bauliche Kulisse für den Ohligser Weg in die neue Zeit abgeben könnten. Der Grund: Im Zentrum des Stadtbezirks entstehen in den kommenden Jahren hunderte moderne Wohnungen. Die Bewohner des Olbo-Parks haben bereits ihre Domizile bezogen. Und bis 2022 soll auch das O-Quartier stehen, durch das sich am Ohligser Markt im übertragenen Sinn der historische Kreis schließt.

Denn hier, im Herzen des Stadtteils, treffen dann das alte und das neue Ohligs zusammen. Wobei Marc Westkämper keinen Zweifel daran hat, dass die mehreren hundert Neubürger schon bald echte Ohligser sein werden. „In Ohligs liegt alles nah beieinander und ist übersichtlich“, sagt der Bezirksbürgermeister.

Was mit ein Grund dafür ist, dass die meisten Experten dem Bezirk – trotz nach oben gehender Immobilienpreise sowie nicht gelöster Verkehrsprobleme – gute Zukunftsaussichten bescheinigen. Zumal es – abseits der zentralen Bereiche – weitere Bauprojekte gibt. Aufderhöhe hat sich zum Beispiel in den zurückliegenden rund eineinhalb Jahrzehnten zu einer der begehrtesten Wohngegenden Solingens entwickelt. Und am Hermann-Löns-Weg, wo früher 14 Jahre lang Zweitliga-Fußball gespielt wurde, wächst auf den Trümmern des einstigen Union-Stadions gleichsam ein neues Wohnquartier.

Ein Umstand, der seinerseits eine gewisse Symbolik in sich trägt. Das Stadion ist tot – es lebe die Stadionsiedlung. Fehlt nur noch, dass auch der erfolgreiche Fußball irgendwann in den Stadtbezirk zurückkehrt. Denn immerhin wurde die früher so erfolgreiche Union von den meisten stets als Ohligser Verein wahrgenommen – selbst als sich der Verein den Namen „Union Solingen“ verpasst hatte.

 Marc Westkämper, hier an der Düsseldorfer Straße,  ist seit dem Jahr 2014 der Bezirksbürgermeister von Ohligs / Aufderhöhe / Merscheid.

Marc Westkämper, hier an der Düsseldorfer Straße,  ist seit dem Jahr 2014 der Bezirksbürgermeister von Ohligs / Aufderhöhe / Merscheid.

Foto: Meuter, Peter (pm)
 Auf dem Gelände de alten Union-Stadions am Hermann-Löns-Weg entstehen neue Wohnhäuser. Die ersten Rohbauten stehen  mittlerweile.

Auf dem Gelände de alten Union-Stadions am Hermann-Löns-Weg entstehen neue Wohnhäuser. Die ersten Rohbauten stehen  mittlerweile.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Das Stadion, das früher einmal Tausende Fans anzog, war in seinen letzten Jahren sukzessive aus der Zeit gefallen. Die Anlage genügte einfach nicht mehr jenen Standards, die höherklassiger Fußball mittlerweile benötigt. „Es gab keine Chance, das Stadion zu erhalten“, sagt Marc Westkämper, der sich lange für den Erhalt eingesetzt hatte.

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