Solingen "Schön, klein und gemütlich sollte es sein"

Solingen · Sandra und Torsten Graap haben sich in einem wahrscheinlich über 300 Jahre alten Fachwerkhaus in Obenpilghausen eingerichtet.

 In der Hofschaft Obenpilghausen sind Sandra und Torsten Graap heimisch geworden. Ursprünglich haben sie gedacht, dass es an dem Fachwerkhaus nicht viel zu verändern geben würde. Inzwischen haben sie rund 250.000 Euro investiert.

In der Hofschaft Obenpilghausen sind Sandra und Torsten Graap heimisch geworden. Ursprünglich haben sie gedacht, dass es an dem Fachwerkhaus nicht viel zu verändern geben würde. Inzwischen haben sie rund 250.000 Euro investiert.

Foto: Köhlen Stephan

Heimat, zitierte der Kleine Brockhaus 1951 die Rechtsprechung, ist da, "wo eine Person ihr Heim hat". 1951 waren Torsten (48) und Sandra Graap (46) noch nicht geboren, aber ihr heutiges Heim gab es schon einige Jahrhunderte lang: ein typisch bergisches Fachwerkhaus in Obenpilghausen.

Anfang des neuen Jahrtausends hatten sich die beiden Solinger nach ihrem ersten Eigenheim umgeschaut. "Schön, klein und gemütlich sollte es sein", sagt Sandra Graap. Dass es ein Fachwerkhaus in einer Höhscheider Hofschaft wurde, habe sich so ergeben. Als der Makler sie auf das Gebäude aufmerksam machte, war die Entscheidung schnell getroffen: "Vom Wohnen und der Atmosphäre her ist ein Fachwerkhaus klasse". Anfang 2003 erwarb das Paar die Immobilie.

Was auf die schnelle Entscheidung folgte, das dauerte wesentlich länger. Zwar konnten Torsten und Sandra Graap direkt einziehen. Die nächsten sieben Jahre ("mit Pausen") verbrachten der gelernte Kfz-Mechaniker / Karosseriebaumeister und seine Frau, die als Assistentin der Geschäftsführung in einer Personalberatung arbeitet, damit, das Gebäude zu einem Schmuckstück zu machen. "Wir dachten eigentlich, das Haus wäre fertig", erinnert sich Torsten Graap. "Aber dann haben wir es Stück für Stück geändert", ergänzt seine Frau.

Zuerst in der Küche. "Beim Ausbau der alten Küchenzeile kamen uns einige schwebende Balken entgegen", berichtet das Paar. Das klassische Problem vieler Fachwerkhäuser: Die Balken am Boden, die das Ständerwerk tragen, faulen wegen der fehlenden Horizontalsperre weg. Auch im angrenzenden Wohnzimmer hatten die Balken - immerhin aus Eiche und nicht aus Nadelholz - wegen feuchter Stellen gelitten. "Die Balken habe ich alle selber ersetzt", erklärt Torsten Graap. "Hilfe hatten wir unter anderem beim Lehmputz und beim Streichen. Außerdem haben wir 2010 zwei Seiten des Hauses verschiefern lassen."

Dabei wurde auch die Verglasung des Giebels rückgängig gemacht. Das Paar baute wieder zum Fachwerk passende Sprossenfenster ein. Horst Westkämper, einer der Vorbesitzer, hatte die Verglasung anbringen lassen, um mehr Licht ins Dachgeschoss zu bekommen. "Als wir das Haus 1972 erworben haben, war es noch im Urzustand", beschreibt das ehemalige Landtagsmitglied die Anfänge. "Das alte Fachwerkhaus hat mich gelockt, aber man hat immer etwas zu tun." Westkämpers legten unter anderem die Deckenbalken im Wohnzimmer frei, sorgten für einen Kanalanschluss und ließen in dem Gewölbekeller eine Ölheizung einbauen. Dafür wurde der gestampfte Lehmboden etwas weiter ausgeschachtet. Außerdem mussten alle Türen im Haus geändert werden: "Da kam ich mit meiner Größe gar nicht durch."

Rund 20 Jahre lang wohnten Westkämpers in Obenpilghausen. "Es war ein schönes Häuschen, aber es ist uns zu klein geworden", blickt der CDU-Politiker mit großer Familie zurück. Für Sandra und Torsten Graap sind die 130 Quadratmeter Wohnfläche dagegen genau richtig - auch wenn sie sicher sind: "Wir haben noch so viel zu tun." Das liegt nicht nur an der einen oder anderen "Katastrophe", die das Haus bereithielt (etwa Schlagläden, die sich hinter Tapeten verbargen), sondern auch an ihren Ansprüchen. Die Elektroschalter sind beispielsweise wie früher aus Porzellan, und die Holzfenster wurden in Dänemark gefertigt. Bisher investierten die Höhscheider rund 250.000 Euro und zahllose Arbeitsstunden.

Den härtesten Job erledigten Torsten und Sandra Graap - mit Unterstützung von Freunden - außerhalb des Hauses, nachdem das Paar ein angrenzendes Grundstück erworben hatte. "Die Gartengestaltung und das Pflastern fand ich am anstrengendsten", sagt der Karosseriebaumeister. Er entfernte fast zehn abgestorbene Nadel- und Obstbäume, die das Haus verdunkelten, und schuf eine Art Hohlweg mit alten Pflastersteinen, die vom Hof der Autowerkstatt stammen. Aus schweren alten Bordsteinkanten ("selbst geschleppt") wurde eine kleine Treppe. Jetzt denken die beiden noch an einen überdachten Sitzplatz; eine schöne Terrasse mit Wasserbecken haben sie bereits. "Ideen haben wir genug", betont Sandra Graap, und Torsten Graap ergänzt: "Mittlerweile können wir auch einmal etwas stehen lassen."

Dann widmen sich die beiden dem Mountainbikefahren sowie dem Wandern oder sitzen gemütlich am warmen "Bullerjan"-Ofen. Die Risse im Lehmputz in Feuernähe sind dann das Einzige, das arbeitet. Und wenn das Paar einmal etwas an den Nagel hängen will, dann liegt im Wohnzimmer ein handgeschmiedetes Prachtexemplar, das beim Umbau auftauchte. Dass die Ruhe aber lange währt, ist unwahrscheinlich: Auf dem Grundstück steht noch ein kleineres Fachwerkhaus, das bisher nur als Werkstatt und Waschküche genutzt wird.

In ihrem Freundeskreis gibt es niemanden sonst mit einem Fachwerkhaus. "Wir bleiben aber automatisch stehen, wenn wir sehen, wo irgendwo ein Fachwerkhaus renoviert wird", unterstreicht das Paar. "Und mit den Eltern haben wir schon diverse Fachwerkhäuser besucht, beispielsweise in Freudenberg und Monschau. Viele sagen ja: Bloß nicht. Aber wir haben den Kauf nie bereut." Würden sie wieder aus Obenpilghausen wegziehen ? "Das würden wir nicht", sagen Torsten und Sandra Graap unisono. "In der Hofschaft gibt es einen richtig schönen Zusammenhalt." Heimat eben. "Das Bergische gefällt uns. Wir sind überhaupt keine Stadtmenschen."

(flm)
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