Serie Die Retter In Solingen Rollende Klinik mit Teddybär

Solingen · Vom künstlichen Koma bis zum kleinen Pflaster: Die modernen Rettungswagen der Feuerwehr sind nicht nur technische Wunderwerke.

Er ist klein, braun und pelzig. Seine Knopfaugen leuchten, und seine Öhrchen stehen aufmerksam nach oben. In freier Wildbahn ist er nicht anzutreffen. Sein natürliches Zuhause sind die Rettungswagen (RTW) der Solinger Feuerwehr. Dabei ist er keinesfalls ein Schädling, der sich eingenistet hat, sondern ein nützlicher Helfer: ein Teddybär. "So ein Teddy bewirkt bei der Behandlung von Kinder wahre Wunder", weiß Dr. Martin Dobbermann. "Diese spielerische Art erleichtert das Behandeln der Kinder besser als manche Medikamente."

Der 40-Jährige arbeitet als Anästhesist am Städtischen Klinikum und gehört zu den rund 40 Kollegen, die mit einer Zusatzausbildung in Notfallmedizin als Notärzte in der Klingenstadt unterwegs sind. Sein Arbeitsplatz ist dann der RTW, der neben einem Teddy eine ganze Menge zu bieten hat. Dobbermann: "Ein Rettungswagen hat alles zu bieten, was es auch in einem Krankenhaus gibt." Sozusagen eine Mini-Klinik. Hier kann fast alles außer Operationen gemacht werden. "Wie auf einer kleinen Intensivstation."

Der Defibrillator hängt griffbereit an der Wand, Beatmungsgerät und EKG sind einsatzbereit, Verbandmaterial, Medikamente, Spritzen, Infusionen - letzte werden in einem Spezialbehälter sogar auf Körpertemperatur gehalten. Hier kann künstlich beatmet, narkotisiert werden, abgetrennte Gliedmaßen können sachgerecht verpackt werden. "Wir können auch Patienten ins künstliche Koma versetzen", sagt Dobbermann. Rund 200.000 Euro kostet so ein 5,3 Tonnen schweres rollendes Krankenhaus.

Und es gibt auch noch die Mini-Mini-Klinik: Im Notfallrucksack befindet sich die ganze Ausrüstung im Kleinformat. Alle Rettungswagen sind gleich ausgerüstet. "Dafür gibt es einen DIN-Standard", erläutert Götz Hommen (51), Sachgebietsleiter für Notfallrettung und Krankentransporte bei der Feuerwehr. Weitere Neuanschaffungen sind vorgesehen. Ein Avoximeter kann dann die Blutgase und den Sauerstoffgehalt überprüfen. Zudem sollen die Rettungswagen mit kleinen Computern ausgestattet werden. Damit könnte die Wagenbesatzung sogar per Internet sofort das Klinikum über die Befunde informieren. Anfangs werden mit den Geräten Patientenberichte digital erfasst. Bisher geschieht das noch in Papierform. Für Verunfallte etwa kann sofort der Schockraum vorbereitet werden. Dort stehen dann die nötigen Fachärzte bereit. "Eine strukturierte Behandlung wird vorgenommen, damit nichts übersehen wird", sagt Dobbermann.

Das Krankheitsbild und der Ereignisort entscheiden darüber, welche Klinik angefahren wird. In Solingen sind alle drei Krankenhäuser - Bethanien, Klinikum und Lukas-Klinik - mit einer Notfallaufnahme ausgestattet." Dazu gehört auch die schnelle Anfahrt. Hommen: "Es sind fünf Rettungswachen strategisch über das Stadtgebiet verteilt, um schnellstmöglich den Notfallort erreichen zu können." In den Zeiten höchsten Einsatzaufkommens befinden sich sieben RTW im Dienst. "In der übrigen Zeit sowie am Wochenende werden fünf RTW für die Notfallrettung vorgehalten."

Schnell muss es auch auf der Leitstelle gehen, wenn ein Notruf eingeht. "Dafür gibt es eine strukturierte Notfrufabfrage." So kann schon am Telefon geklärt werden, welches adäquate Rettungsmittel entsandt werden muss und was die ausrückenden Einsatzkräfte erwartet. "Stellt sich bei der Notrufannahme in der Leitstelle oder vor Ort heraus, dass ein Notarzt erforderlich ist, wird dieser vom Notarztstandort geschickt." Wie lange der RTW vor Ort im Einsatz bleibt, hängt von der Lage ab. "Das geht von 30 Minuten bis open end."

Zwei Feuerwehrleute fahren im RTW mit. Bei ihnen hat sich das Berufsbild gewandelt beziehungsweise intensiviert. "Die Feuerwehr verfügt über rund 200 Berufskräfte, von denen alle noch in ihrer Ausbildung zum Feuerwehrmann die Ausbildung zum Rettungssanitäter bekommen haben." Das sind 560 Ausbildungsstunden. Nach abgeschlossener Feuerwehrausbildung wurden bis 2014 alle Mitarbeiter zu Rettungsassistenten fortgebildet. "Nach Inkrafttreten des Notfall-Sanitäter-Gesetztes werden derzeit Mitarbeiter zu Notfallsanitätern fortgebildet." Der Notfallsanitäter ist so qualifiziert, dass er teilweise Aufgaben eines Notarztes übernehmen kann.

Das ist auch den ständig steigenden Einsatzzahlen geschuldet. Rund 23.000 Einsätze gab es für Rettungswagen und Krankentransporter im vergangenen Jahr - Tendenz steigend. "Das liegt auch am demografischen Wandel." Es gibt mehr Alleinstehende und Hilfsbedürftige, die sich anders nicht zu helfen wissen. Aber auch das Anspruchsdenken ist gestiegen. Getragen werden die Kosten in der Regel von der Krankenkasse, wenn der Arzt eine entsprechende Bescheinigung ausstellt. Wird an stetiger Verbesserung der Ausbildung und der Technik gearbeitet, so bleibt einer davon doch ausgenommen. Seine natürlichen Fähigkeiten sind nicht zu steigern. Und er arbeitet kostenlos: der Teddybär.

(crm)
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