Solingen Roland H. die Ehre erwiesen

Solingen · Rund 60 Menschen gedachten gestern des ermordeten Obdachlosen in einer Andacht und mit einem Schweigemarsch. An seinem ehemaligen Schlafplatz legten sie Blumen nieder und zündeten Kerzen an.

Auf der einen Seite ein Mann, den viele wegen seiner ruhigen, bescheidenen Art schätzten, auf der anderen Seite zwei junge Männer, die eine Bekannte unlängst als "tickende Zeitbomben" bezeichnete. Das sind der brutal getötete Obdachlose Roland H. und seine beiden mutmaßlichen Peiniger. "Roland H. hatte keine Chance, ein Mensch wurde brutal ermordet, hingerichtet, regelrecht abgeschlachtet." Worte, die man selten in einem Gotteshaus hört, doch Hans-Peter Claus wählte sie gestern bei der Andacht in der evangelischen Kirche an der Wittenbergstraße bewusst, als er das Schicksal des Getöteten noch einmal in Erinnerung rief. Er selbst habe noch kurz vor der Tat von einem Gemeindemitglied gehört, Roland H. käme nicht mehr zur Essensausgabe, er selbst frage sich nun, ob er nicht etwas hätte tun müssen.

Weitere Details bekannt

Hinsehen und Aufstehen, so das Motto der Andacht und des anschließenden Schweigemarsches zu dem Platz, an dem Roland H. sein Nachtlager aufschlug. Unter dem Vordach des Supermarktes an der Hubertusstraße/Ecke Schwanenstraße legten viele, die Roland H. gestern die letzte Ehre erwiesen, Blumen nieder und zündeten Kerzen an. An jener Stelle, an der die Leiche des Obdachlosen gefunden wurde, steht inzwischen ein schlichtes Holzkreuz mit seinem Todesdatum.

Derweil wurden gestern weitere Details über den aus Solingen stammenden Mordverdächtigen bekannt. In einem Internetforum richtete der bereits öfter mit den Gesetzen in Konflikt geratene 23-Jährige Mitte April eine eigene Seite ein. Damals war der Vater eines kleinen Kindes nach Informationen unserer Zeitung gerade erst wegen eines Eigentumsdelikts aus dem Gefängnis entlassen worden – aber die Haft hatte bei dem Mann, wie bereits frühere Strafen, offenbar keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Denn die Seite des Mannes, der sich im Internet selbst als politisch rechts stehend bezeichnet, läuft nur so über von blutrünstigen Zitaten aus Filmen, die teilweise wegen Gewaltverherrlichung auf dem Index stehen.

Vor allem ein amerikanischer Pulp-Actionthriller aus dem Jahr 1999 hatte es dem jungen Solinger angetan. Titel: "Der blutige Pfad Gottes". Der Streifen ruft nach Ansicht von Kinokennern mehr oder weniger unverhohlen zur Selbstjustiz auf – und kam darum 2001 auf eine Liste cineastischer Produkte, die nicht mehr verkauft werden dürfen. Zuvor schon war ein juristisches Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, der Film sei für Jugendliche vollkommen ungeeignet. Und wohl auch für den 23-Jährigen.

Im Augenblick kann zwar noch niemand sagen, ob das Betrachten solcher Videos den Mann mehr und mehr abstumpfte, ehe er nach jetzigem Stand der Ermittlungen in der Nacht zum 8. Juli den wehrlosen Obdachlosen mit einem ebenfalls inzwischen einsitzenden Komplizen brutal ermordete. Tatsächlich aber hatte der Solinger Verdächtige in den Wochen vor der Tat zusehens den Boden unter den Füßen verloren. Zuletzt soll sogar seine eigene Familie wegen seiner kriminellen Machenschaften den Kontakt zu ihm angebrochen haben.

(RP)
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