Solingen Ringen um den Pfarrer

Solingen · Als Ingo Siewert seinen Religionsunterricht antrat, war dies für ihn Neuland. Der Pfarrer sollte mit seiner Lehrtätigkeit dafür sorgen, dass die Gemeinde finanziell in ruhigeres Fahrwasser gelangt.

Ob Pfarrer Ingo Siewert gegen seine Abberufung Widerspruch einlegen wird, weiß er noch nicht. "Das hängt von der Urteilsbegründung der Verwaltungskammer ab", sagt der 48-jährige Familienvater. "Ich werde sie mit meinem Anwalt genau prüfen." Bis er die Begründung erhalte, könne es allerdings noch einige Wochen dauern.

Siewert soll die Stadtkirchengemeinde verlassen, weil das Presbyterium der Meinung ist, dass es von dem Pfarrer nicht rechtzeitig über dessen schlecht verlaufenden Schuldienst informiert wurde. Durch das vorzeitige Ende der Zusammenarbeit mit der Realschule Vogelsang geriet die Gemeinde in Geldnot, weil eine halbe der drei Pfarrstellen durch den Unterricht finanziert wurde. Nun muss die Gemeinde trotz leerer Kasse wieder drei volle Pfarrstellen bezahlen. "Aber selbst wenn ich geahnt hätte, dass mein Unterricht in Gefahr ist, und dies auch mitgeteilt hätte, hätte sich dadurch nichts mehr an der finanziellen Situation der Gemeinde geändert", sagt Ingo Siewert. Er habe jedoch nichts geahnt. Zum Schuljahr 2003/2004 hatte er die Stelle als Religionslehrer angetreten. Bei zwei Unterrichtsbesuchen im Herbst 2003 und im Mai 2004 stellten Schulreferent, Schulleitung und Kirchenvertreter "methodisch-didaktische Defizite" bei dem Pfarrer fest.

Praktikum in der Grundschule

"Ich hatte vorher noch nie unterrichtet", erklärt der 48-Jährige. Lediglich während seines Vikariates habe er ein Praktikum in einer Grundschule absolviert. "Aber das ist auch schon 18 Jahre her." Daher sollte er bis Mai 2005 an neuen Fortbildungsangeboten der Landeskirche für Quereinsteiger teilnehmen. Erfahrung im Unterrichten hatte dagegen Siewerts Kollegin, Pfarrerin Jutta Degen. "Sie wäre sicherlich die geeignetere für den Lehrauftrag gewesen, aber das Presbyterium hat sie als treibende Kraft der Stadtkirchengemeinde und als unabkömmlich angesehen."

An dem zweiten Check von Siewerts Unterricht nahm auch Superintendent Klaus Riesenbeck teil. Weil das Ergebnis der Besuche nicht geheim sei, hätte der Superintendent das Stadtkirchenpresbyterium ebenfalls informieren können. "Er ist aber zu dieser Information nicht verpflichtet", sagt Siewert. "Möglicherweise war ihm auch wie mir nicht klar, wie ernst die Lage war." Abgesehen davon seien die Protokolle der zwei Unterrichtsbesuche dem Presbyterium zugeschickt worden.

Dagegen war für Presbyter Klaus vom Bauer im Februar 2006 dagegen vor allem eins klar: Er glaubte nicht mehr, dass das Gremium noch arbeitsfähig sei. Doch auf sein Schreiben an die Landeskirche mit der Bitte um Überprüfung, gegebenenfalls um Auflösung des Presbyteriums erhielt er nur eine Eingangsbestätigung. "Ohne einen formalen Antrag, zu dem der Kreissynodalvorstand erst Stellung nehmen muss, kann die Kirchenleitung nichts unternehmen", erklärt Landeskirchensprecherin Eva Schüler auf Anfrage unserer Zeitung. "Ein einfacher Brief mit einer Beschwerde reicht da nicht."

(RP)
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