Solingen O-Quartier: Stadt zieht Notbremse

Solingen · Das Rathaus ist die Hinhaltetaktik des Investors leid. Mit einem neuen Bebauungsplan soll endlich Bewegung in die Entwicklung des Ohligser Centers kommen. Die bisherigen Pläne überzeugen nicht.

Das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte wohl auch eine Klage, die die Stadt Solingen zuletzt aus Bayreuth erreichte. Mit Hilfe von Anwälten will die Eigentümerin des seit Jahren brachliegenden Olbo-Geländes, die Entwicklungsgesellschaft Graf von Thun und Hohenstein Veit, neuerdings doch noch verhindern, den meterhohen Bauschutt auf dem Areal im Herzen von Ohligs endgültig abtragen zu müssen.

Allerdings könnte es sein, dass die Investorenfirma demnächst gezwungen ist, noch weit mehr zu entrümpeln als allein das Grundstück, auf dem eigentlich schon seit geraumer Zeit ein neues Einkaufszentrum stehen sollte. Denn nachdem es Dr. Jeannine Gräfin von Thun und Hohenstein Veit, Chefin der gleichnamigen Bayreuther Entwicklungsgesellschaft, bis heute nicht gelungen ist, ihre Pläne für das O-Quartier umzusetzen, hat die Stadt jetzt die Notbremse gezogen. Noch im Juni soll der Rat nach dem Willen der Stadtspitze einen neuen Bebauungsplan auf den Weg bringen, der wieder zu Fortschritten in der seit längerem stockenden Entwicklung führt.

"Die Stadt hat darauf vertraut, dass der Investor die Planungen zügig umsetzt. Viele Jahre ist aber so gut wie nichts passiert", sagte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) gestern bei der Präsentation der neuen Marschrichtung im Rathaus. Gleichzeitig jedoch habe Ohligs unter dem so entstandenen "Stillstand" gelitten, betonte der OB, der sich darum nun gezwungen sah, zu handeln - zumal der in den vergangenen Wochen vom Investor einmal mehr neu vorgestellte Handelsmix von Geschäften nicht den Vorstellungen der Stadt entsprach. Tim Kurzbach: "Die uns bisher bekannte Vermietungssituation ist nicht von der Qualität, die eine Überlebensfähigkeit des Einkaufscenters sichern würde und die den Stadtteil weiterbringt."

Im Klartext: Ohligs drohte zuletzt - wenn überhaupt - ein Center mit Billiganbietern. Und das hätte wiederum ganz und gar nicht den Erwartungen der Stadt entsprochen, die eine Mall mit einem im Stadtteil vermissten Lebensmittelvollsortimenter sowie ergänzendem Discounter will. Dabei drängte zuletzt aber die Zeit. Denn im vergangenen Jahr stellte der Investor eine Bauvoranfrage, die nach langem Hin und Her inzwischen vollständig ist - und über die in nächster Zeit eine (eventuell positive) Entscheidung hätte getroffen werden müssen.

In dieser Situation kam dem Rathaus ein im vergangenen Herbst ergangenes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster gerade gelegen. Die Richter hatten nämlich in einem vergleichbaren Fall zugunsten einer anderen Stadt entschieden, die genauso wie Solingen beim Bau eines Einkaufszentrums von einem Investor über Jahre hingehalten worden war. Das könne nicht sein, urteilte das OVG und gab der betroffenen Kommune recht, die es nicht hinnehmen wollte, dass in "ihrem" Center nur einzelne Läden, aber nicht zwingend die einmal in Aussicht gestellte Branchenvielfalt einziehen sollte.

Eine Chance auch für Solingen. Denn nach Einschätzung der Stadt, die sich in den zurückliegenden Wochen von einer namhaften Rechtsanwaltskanzlei beraten ließ, ist es durch den Richterspruch des OVG inzwischen sogar "unsicher", ob die Bauvoranfrage des O-Quartier-Investors unter diesen Umständen "überhaupt noch positiv beschieden werden kann".

Zwar steht bis auf Weiteres nicht fest, ob Graf von Thun und Hohenstein Veit diese Einschätzung teilt oder dagegen erneut klagt. Doch die zuständigen Beamten der Verwaltung setzen ihrerseits ab sofort auf einen zumindest teilweisen Neuanfang. Wobei die Grundidee darin besteht, mit dem Ende des alten und der Aufstellung eines neuen Bebauungsplans zu guter Letzt doch noch die Weichen für ein florierendes Einkaufszentrum am Ohligser Markt zu stellen.

So würde der Investor mit einer überarbeiteten Planungsgrundlage beispielsweise in die Lage versetzt, im O-Quartier mehr Wohnungen und weniger Geschäfte schaffen zu können. Eine Forderung, die Graf von Thun und Hohenstein Veit schon in der Vergangenheit öfter stellte, die jedoch bislang stets am alten Bebauungsplan mit seinen strengen Vorgaben scheiterte.

Tatsächlich verfährt die Stadt nach der Methode "Zuckerbrot und Peitsche". Zum einen kommt man dem Investor oder Interessenten, die das Areal ihrerseits gerne vermarkten würden, entgegen. Zum anderen erwarten die Verantwortlichen im Rathaus aber auch, dass sich bald etwas auf dem alten Olbo-Gelände tut, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft der Olbo-Park des Solinger Immobilienunternehmens "plan 8" immer weiter wächst. Dort waren vor einigen Wochen nur noch zwei der insgesamt 86 Eigentumswohnungen zu haben.

(or)
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