Solingen Neun Millionen Euro sind eingefroren

Solingen · Die vor drei Wochen angekündigte Haushaltssperre in Solingen greift zum 1. Juni. Nach den Einbrüchen bei der Gewerbesteuer spart Stadtkämmerer Ralf Weeke jetzt insbesondere bei der Unterhaltung von Gebäuden und Straßen.

In seiner sechsjährigen Amtszeit hat Ralf Weeke noch nie diese Entscheidung treffen müssen. Gestern jedoch musste der Stadtkämmerer mit Blick auf den laufenden Etat die Reißleine ziehen und eine Haushaltssperre verhängen. Unerwartet kam die Maßnahme nicht, nachdem die Zahlen im ersten Quartalsbericht für 2014 nichts Gutes haben verheißen lassen. Ein zusätzliches Minus von etwa neun Millionen Euro muss aufgefangen werden, daher hatte Ralf Weeke bereits vor drei Wochen vor dem Finanzausschuss angekündigt, zwingend Ausgaben einfrieren zu müssen.

57 Konten zu 25 Prozent gesperrt

"Es hat bis zur Umsetzung etwas länger gedauert, weil wir keine pauschale Kürzung vornehmen wollten", erklärt der Finanzchef. "Wenn wir den Rasenmäher genommen hätten, hätten wir damit auch die schönen Blumen kaputtgemacht." Stattdessen sind ab dem 1. Juni 57 Konten zu 25 Prozent gesperrt worden, die nur in Ausnahmefällen auf Antrag freigegeben werden können. Betroffen sind alle Dienste und Betriebe quer durch die gesamte Stadtverwaltung. Alleine bei der Unterhaltung von städtischen Gebäuden verspricht sich Ralf Weeke eine Ersparnis von rund zwei Millionen Euro. Weitere große Posten betreffen den Sport (300 000 Euro), die Natur- und Landschaftspflege (500 000 Euro), den Verkehr (2,1 Millionen Euro) sowie den Kulturbereich und Spielplätze.

Die unbequeme Maßnahme hätte sich Ralf Weeke gerne erspart. In der Kürze der Zeit hat sich jedoch keine Entlastung abgezeichnet. "In bestimmten Bereichen haben wir zwar die Zahlen korrigieren können, aber das hat nicht ausgereicht." Bei der Hilfe zur Erziehung beispielsweise reduzierte sich der Betrag von zwei auf 1,5 Millionen Euro. Die drohenden Einbrüche bei der Gewerbesteuer um mindestens zehn Millionen Euro wogen im Vergleich jedoch zu schwer.

Weeke: " Ich rechne nicht damit, die Haushaltssperre vorzeitig aufheben zu können!"

"Es ist mein Job, alles das zu tun, um die finanzielle Situation der Stadt Solingen zu verbessern." Ralf Weeke glaubt nicht, dass er die bis zum Jahresende verhängte Haushaltssperre vorzeitig aufheben kann: "Das geht nur, wenn sich die Situation besser entwickeln würde als prognostiziert. Ganz ehrlich gesagt: Damit rechne ich nicht." Stattdessen scheint die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass im Verlauf des Jahres mit weiteren Maßnahmen gegengesteuert werden muss, um den 2018 anvisierten Haushaltsausgleich zu realisieren. Womöglich muss der gerade erst neu gewählte Stadtrat einen neuen Sparplan entwerfen, nachdem schon 2010 ein Paket mit rund 40 Millionen Euro geschnürt worden war.

Oberbürgermeister Norbert Feith wertet die Sperre als Signal für die 52 neuen Vertreter im Stadtrat: "Der gemeinsam eingeschlagene Kurs haushaltspolitischer Solidarität muss unbedingt beibehalten werden." Feith erachtet die Maßnahme als erforderlich und richtig, weil die Einnahmen und Ausgaben auseinanderlaufen. "Panik ist trotzdem nicht angebracht." Das soziale und kulturelle Leben in Solingen stehe nicht vor dem Aus, weil verbindlich zugesagte Zuschüsse für Verbände oder Vereine in jedem Fall gezahlt werden. Gleiches gilt für Ausgaben, zu denen die Stadt durch Verträge und Gesetzte verpflichtet ist.

Kommentar:

Die Nachricht, dass der Stadt Solingen die finanziellen Mittel fehlen, ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Daher kann die ab sofort gültige Haushaltssperre auch nicht überraschen. Überraschend ist nur der Anlass: Obwohl die Konjunktur wächst, werden in diesem Jahr mindestens zehn Millionen Euro bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer fehlen.
Bei diesen Beträgen wirken die Kosten für den neuen Stadtrat wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Rund 80 000 Euro ist das neue Gremium günstiger als das alte, weil es 20 Mitglieder weniger umfasst. In der Summe hilft jedoch jeder noch so kleine Betrag, um zu verhindern, dass in der Klingenstadt irgendwann der Spar-Kommissar vorbeischauen muss.

Von Guido Radtke

(gra)
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