Solingen Neue Vorwürfe gegen Senvital

Solingen · Eine alte Dame, die sich beim Sturz Brüche zuzog, wurde erst nach drei Wochen ins Krankenhaus gebracht. Nun prüft die Stadt Konsequenzen gegen das Altenheim. Im schlimmsten Fall könnte sogar eine Teilschließung drohen.

Nachdem zuletzt immer wieder schwere Anschuldigungen gegen das Solinger Senvital-Altenheim laut wurden, erschüttert nun ein neuer Fall das Ansehen der Einrichtung an der Hackhauser Straße in Ohligs. Der Vorwurf: Eine demenzkranke Bewohnerin, die sich bei einem Sturz aus ihrem Bett Knochenbrüche zugezogen hatte, wurde einfach sich selbst überlassen. Erst nach drei Wochen kam die alte Dame in ein Krankenhaus, wo die Ärzte ihre schweren Verletzungen feststellten. Das teilte die Verwaltung diese Woche den Mitgliedern des Solinger Sozialausschusses im nicht öffentlichen Teil mit.

Ein Skandal, der für Senvital weitreichende Konsequenzen haben könnte. Im schlimmsten Fall droht dem Solinger Haus sogar die Teilschließung ganzer Abteilungen. Nach Informationen unserer Zeitung wird nämlich bei der Stadt zurzeit ein externes Gutachten erstellt, das die Situation in dem Altenheim genau unter die Lupe nimmt. Und sobald die Expertise vorliegt, will man bei der städtischen Heimaufsicht Nägel mit Köpfen machen.

Viele Klagen über Missstände

Nun ist zwar nicht davon auszugehen, dass es am Ende für die Ohligser Einrichtung zum Äußersten, also zur Teilschließung oder zu einem Belegungsstopp kommt. Vielmehr, so war gestern aus dem Rathaus zu hören, setzt man darauf, dass Senvital demnächst entsprechende Auflagen eins zu eins umsetzt und so für mehr Qualität bei der Pflege sorgt.

Doch die Missstände in dem Heim sind nicht neu. Führungskräfte, die schon nach kurzer Zeit wieder abberufen werden, Mitarbeiter, die über eine immense Arbeitsbelastung klagen — wie gestern zu erfahren war, ergab zuletzt auch die Untersuchung einer Krankenkasse, dass die Mängel in Ohligs bereits länger offenkundig sind. Demnach sind diese nur deshalb nicht bekannt geworden, weil bei der Bewertung des Heimes die schlechte Pflege zum Beispiel immer wieder mit der guten Qualität des Essens ausgeglichen worden sei.

Tatsächlich berichten auch Insider von untragbaren Bedingungen. "Der Druck auf die Mitarbeiter ist extrem hoch", heißt es. Viele von ihnen seien psychisch völlig ausgebrannt, immer wieder kündigten Angestellte trotz relativ guter Bezahlung. Und dazu komme, dass dann häufig Aushilfskräfte eingesetzt würden, um die Lücken zu schließen, die mit den Anforderungen des Pflegeberufs aber hoffnungslos überfordert seien.

Das wollte gestern ein Senvital-Sprecher auf Anfrage zwar nicht bestätigen. Gleichwohl räumte auch er Versäumnisse ein. "Wir bedauern den Fall der alten Dame sehr", versicherte der Sprecher und fuhr fort, es seien inzwischen interne Untersuchungen eingeleitet worden. Die Mitarbeiter würden zu dem Vorfall befragt, und es sei gegebenenfalls mit personellen Konsequenzen zu rechnen. Das wiederum reicht vielen Mitgliedern des Sozialausschusses jedoch nicht mehr. In der Politik verliert man nämlich langsam, aber sicher die Geduld mit Senvital. "Wir hatten innerhalb kurzer Zeit vier Heimleiter", erinnerte sich ein Sozialpolitiker gestern noch einmal an die hohe Fluktuation auf der Chefetage.

Er will, wie ein anderer Kollege auch, verhindern, dass am Ende nur die Mitarbeiter zur Verantwortung gezogen werden, derweil der Senvital-Sprecher versicherte, mit der inzwischen installierten Heimleitung werde in dem Heim in Zukunft wieder "in dem guten Stil gearbeitet, der bei uns üblich ist".

(RP)
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