Urteil am Landgericht Bei Unfallflucht zwei Kinder entführt – psychisch kranker Solinger bekommt neue Chance

Solingen/Wuppertal · Im März 2024 hatte ein Solinger absichtlich eine Karambolage verursacht und war mit dem Wagen eines Unfallgegners und zwei Kindern auf dem Rücksitz vom Unfallort geflohen. Der 28-Jährige leidet an einer bipolaren Störung, nach dem Prozess am Wuppertaler Landgericht bekommt er nun eine Chance zur Bewährung.

Die Polizei war im März mit einem Großaufgebot am Einkaufszentrum Hofgarten in Solingen im Einsatz gewesen.

Foto: Gianni Gattus

Es ist so etwas wie eine zweite Chance. Ein 28 Jahre alter Mann aus Solingen, der im Frühjahr nach einem Unfall ein Auto mit zwei Kindern in seine Gewalt gebracht und dadurch einen großen Polizeieinsatz in der Innenstadt ausgelöst hat, wird nicht dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Vielmehr ist der schuldunfähige Mann am Dienstag nach einem Urteil des Landgerichts Wuppertal aus einer forensichen Einrichtung entlassen worden und muss sich jetzt einer medikamentösen Behandlung unterziehen.

Im März 2024 hatte der Solinger auf dem Weg zum Hofgarten einen Unfall verursacht. Mit Vorsatz, wie sich später herausstellen sollte – und inmitten der manischen Phase einer bipolaren Erkrankung. Der Solinger wähnte sich in einem Computerspiel und wollte die Polizei provozieren, ihn zu verfolgen. Nach dem Zusammenstoß mit zwei Fahrzeugen war er in den Wagen eines der Unfallgegner gestiegen, in dem auf der Rückbank zwei Kinder saßen.

Mit dem Mädchen (8) und dem Jungen (12) war er zum Hofgarten gefahren, um sich dort – zur eigenen Beruhigung, wie er den Polizeibeamten selbst gesagt haben soll – ein Eis zu kaufen. Auch für die Beamten war schnell klar, dass sie es mit einem psychisch auffälligen Straftäter zutun haben. Der habe einerseits völlig normal gewirkt und dennoch gesagt, er sei von Dämonen besessen und tue alles nur für den „Kick“. Er leide unter ADHS, seine „Synapsen seien völlig überreizt“: So hatte es der Solinger den Polizisten noch auf der Wache gesagt.

Dass der 28-Jährige im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat, als er sich an jenem Abend mit dem Zweitschlüssel in das Auto seiner Schwester setzte, war bereits zu Prozessbeginn klar. Üblicherweise folgt am Ende eines solchen „Sicherungsverfahrens“ die dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie, hier aber hat die Kammer anders entschieden: Der Solinger wurde aus der Forensik entlassen mit der Auflage, sich behandeln zu lassen.

Am Landgericht Wuppertal wurde am Diesntag das Urteil gegen den 28-Jährigen verkündet.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Das habe der 28-Jährige, so war es nun vom psychiatrischen Gutachter Dr. Martin Platzek zu hören, auch schon zuvor getan. Allerdings so, dass er regelmäßig aus der Manie in die Depression abgeglitten sei. Platzek hatte lange mit dem Beschuldigten gesprochen, im Gerichtssaal holte er weit aus in seinen Ausführungen und streifte die Abgründe bipolarer Psychosen, um dann festzustellen: „Wir haben es hier mit jemandem zu tun, der über Problembewusstsein und Krankheitseinsicht verfügt.“ Das sei entscheidend, wenn man voraussagen solle, ob zukünftig eine Gefahr ausgehe von einem psychisch kranken Menschen.

Die Kammer knüpfte an das Bewährungsurteil gleichwohl strenge Auflagen: Der Beschuldigte muss sich sofort in der LVR Klinik in Langenfeld melden, er muss vorerst bei seinem Vater einziehen. Und es müsse sichergestellt werden, dass er die Medikamente nehme, so die Kammer. Andernfalls drohe weiterhin die dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie.

Sein Mandant wisse das, so Verteidiger Athanasios Antonakis, er werde selbst den Kontakt zu dem 28-Jährigen halten. Das hatte auch Gutachter Martin Platzek dem Beschuldigten angeboten, der habe aus seiner Sicht durchaus eine Perspektive auf „ein normales Leben“.