Serie 24 Stunden - 24 Menschen Nah an den Tieren im Vogelpark

Solingen · Janett Heinrich braucht viel Erfahrung, um im entscheidenden Moment richtig zu reagieren. In einer Stunde versorgt die Tierpflegerin Serval und Schnee-Eule, Mauersegler und Kängurus. Einen erklärten Liebling hat sie dabei nicht.

 Imposante Raubkatze: Ferdinand faucht zwar, doch der Serval hat Vertrauen zu Tierpflegerin Janett Heinrich gefasst. Sie kann sich dem Tier ohne Gefahr nähern.

Imposante Raubkatze: Ferdinand faucht zwar, doch der Serval hat Vertrauen zu Tierpflegerin Janett Heinrich gefasst. Sie kann sich dem Tier ohne Gefahr nähern.

Foto: Stephan Köhlen

Erst als der Riegel an der ersten Tür mit einem Klacken eingerastet ist, schließt Janett Heinrich die nächste Tür auf. Es ist Punkt 12 Uhr, als sie aus der Schleuse, Sicherung für Mensch und Tier, in den Sand des umzäunten Geheges im Vogel- und Tierpark tritt. Nahla wartet schon: Elegant, mit geradem Rücken sitzt die Serval-Katze zwischen den langen Blättern des Bambus und beobachtet jede Bewegung von Janett Heinrich. Ein metallener Wassernapf glänzt in der Sonne, daneben liegt ein kleines Stück struppiges, weißes Fell, das vom Frühstück des Vortags übrig geblieben ist. "Es gab Kaninchen", sagt die Tierpflegerin, während sie beginnt, den Sand zu harken.

Lautlos kommt nun auch Ferdinand hinzu, ein imposanter Kater mit einer Schulterhöhe wie ein Labrador. Gerade interessiert das Raubtier nur eines: Das Körbchen, das Janett Heinrich mitten im Gehege, gleich neben dem großen Wasserbecken abgestellt hat, gefüllt mit einer Mischung aus Eselmist und Heu. "Es geht ihm um den Geruch, und uns geht es darum, die Tiere zu beschäftigen. Dafür muss man sich jeden Tag etwas Neues einfallen lassen", sagt die Leitende Tierpflegerin, während sich der imposante Kater in das Körbchen schmiegt. In einer Ecke liegen noch die Reste eines Pappkartons, das Unterhaltungsprogramm vom Vortag. Der Kater faucht und zeigt seine spitzen Zähne, als Janett Heinrich näher kommt, um den Wassernapf mit einer Spülbürste auszuwaschen. "Wenn sie fauchen, ist das imposant. Zu uns Pflegern sind sie bisher jedoch immer lieb gewesen", sagt Heinrich.

Als sie die Schleuse wieder betritt, hinter sich ab- und vor sich aufschließt, beginnt schräg gegenüber ein Ara ein wütendes Konzert. "Irgendwann hört man das alles nicht mehr", sagt die Tierpflegerin. "Und doch ist man froh, wenn man abends Zuhause ist und einmal alles ruhig ist." Bis dahin jedoch liegen noch einige Stunden vor Janett Heinrich: Von 7 bis 18 Uhr geht ihr Arbeitstag - Frühstücks- und Mittagspause inbegriffen. Und Heinrich steht nun eine ungeliebte Aufgabe bevor: Sie muss Igor bezwingen, das Schnee-Eulen-Männchen, das in diesen Tagen mit seiner ganzen Kraft die vier Eier beschützt, die in einer Kuhle unter seinem Weibchen im Sand liegen. "Donnerstag oder Freitag werden die ersten Küken schlüpfen", erzählt Heinrich, heute will sie den Käfig der Vögel zum vorerst letzten Mal reinigen. Das kann sie, wegen Igors Wehrhaftigkeit, nicht alleine: Kollege Achim Bockstege muss das wütende Eulen-Männchen mit einem Besen auf Abstand halten, während Janett Heinrich Futterreste und die Hinterlassenschaften der Tiere zusammenharkt. Igor lässt sie dabei keine Sekunde aus den Augen: Wütend läuft er hin und her, stößt zornige Schreie aus, knallt lautstark immer wieder seinen Schnabel zu. "Wenn sie nicht brüten, sind sie ganz umgänglich, und es ist ja auch gut, dass er aufpasst", sagt Janett Heinrich, als sie aus dem Käfig kommt.

Die Tierpflegerin, die seit fast elf Jahren im Vogelpark arbeitet, ist die ganze Zeit in Bewegung: Auf dem Weg zum Büro, wo sie eine Säge holen will, macht sie einen kleinen Abstecher zur Quarantäne-Station. Am Vortag wurde ein geschwächter Mauersegler gebracht, heute geht es ihm schon deutlich besser: Standhaft weigert sich der zarte Vogel, das Heimchen zu schlucken, das Janett Heinrich ihm hinhält. "Er ist schon ein großer Vogel und gewohnt, sein Futter aus der Luft zu fangen", erklärt Heinrich. Mit ein bisschen Wasser jedoch frisst der kleine Patient das Insekt, bereits am nächsten Tag soll er wieder fliegen gelassen werden.

Dann muss Janett Heinrich weiter, die sechs Kängurus warten auf ihre Leibspeise: An einem Haselnussstrauch im zukünftigen Nasenbär-Gehege sägt sie Äste ab, die sie den Beuteltieren ins Gehege gleich am Eingang bringt. "Mit Birne oder Pflaume muss man denen nicht kommen. Haselnuss, Apfel oder Weide lieben sie hingegen." So sehr, dass dafür sogar Sidney aus der kleinen Holzhütte kommt, in der er um diese Zeit eigentlich seinen Mittagsschlaf hält. Bei seiner Geburt vor sieben Jahren war Sidney ein Star: Weil er als Albino weißes Fell und rote Augen hat. Aus diesem Grund ist das Tier jedoch auch besonders lichtempfindlich - und zieht sich regelmäßig Sonnenbrände an den Ohren zu. "Deshalb schmieren wir seine Ohren mit Vaseline ein."

Während die Kängurus die grünen Blätter mümmeln, schließt Janett Heinrich das Tor des Geheges hinter sich ab. Ihre Vormittagsrunde hat sie damit erledigt, nach der Mittagspause geht es weiter. Es ist genau 13 Uhr, die Stunde ist um.

(RP)
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