Solingen Nachbar klagt gegen Glockenklang

Solingen · Ein Anwohner fühlt sich durch das Glockenspiel von Juwelier Leiber an der Hauptstraße in seiner Ruhe gestört und klagt deshalb vor dem Amtsgericht. Das Glockenspiel ist tagsüber von 9 bis 19 Uhr in Betrieb, sonntags von 12 bis 19 Uhr.

Die akustische Zeitangabe ist jede viertel Stunde mit einem sogenannten "Westminster-Schlag" zu hören, sechs Mal am Tag erklingt vom Glockenspiel über dem Geschäft von Juwelier Leiber an der Hauptstraße 37 in der Innenstadt zudem eine Melodie — von "Yellow Submarine" von den Beatles über "Im Frühtau zu Berge". Über 60 verschiedene Melodien haben Annette und Andreas Köster, die Inhaber des Juweliergeschäftes, hier im Repertoire, die sie je nach Jahreszeit wechseln. Sie erfreuen mit dem Glockenspiel, das wochentags von 9 bis 19 Uhr und sonntags von 12 bis 19 Uhr betrieben wird — an Feiertagen bleibt es aus — die Passanten.

Und dies mittlerweile seit mehr als 58 Jahren, denn am 11. November 1955 erklang das Glockenspiel aus dem Hause Leiber unter dem Beifall mehrerer hundert Solinger mit dem "Bergischen Heimatlied" erstmals und gehört seitdem auch zum Stadtbild und zum Inventar der Solinger City. "Mit genau dieser Absicht betreiben wir auch heute das Glockenspiel, das wir noch vor wenigen Jahren aufwendig renovieren ließen", sagen Annette und Andreas Köster.

Doch mit den schönen Klängen des Glockenspiels könnte es bald vorbei sein: Ein Anwohner fühlt sich nämlich in seiner Ruhe gestört, führt erhebliche Schlafstörungen an und hat wegen Lärmbelästigung über seine Anwältin eine Klage beim Amtsgericht Solingen gestellt.

Dies bereits Ende November vergangenen Jahres, am 8. Februar wurde sie dem Ehepaar Köster nun zugestellt. "Wir sind fassungslos über dieses Vorgehen", sagt Andreas Köster, "und auch Bekannte, die ebenfalls mit dem Glockenspiel groß geworden sind, reagieren mit Ungläubigkeit und Aussagen wie ,das kann doch wohl nicht wahr sein'", so Köster.

Schon im August vergangenen Jahres hatte eine Langenfelder Rechtsanwältin im Auftrag ihres Mandanten einen Unterlassungsanspruch wegen Lärmbelästigung durch das Glockenspiel geltend gemacht und forderte die Kösters auf, das Glockenspiel binnen einer Woche abzustellen.

Es seien angeblich Messungen der Lautstärke durchgeführt worden, die eine maßgebliche Grenze von 60 Dezibel überschritten hätten. "Das tägliche Glockenspiel stellt eine unzumutbare wesentliche Beeinträchtigung und damit eine verbotene Eigenmacht dar, die unser Mandant nicht dulden muss", heißt es in einem Schreiben der Anwältin mit Verweis auf Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Durch die Klageschrift wissen Annette und Andreas Köster jetzt immerhin, dass der Stadtdienst Natur und Umwelt am 24. Mai 2013 sowie am 24. und 25. Juli 2013 Lärmmessungen durchgeführt hat.

Doch von ordnungsbehördlichen Maßnahmen wurde nach den Messungen abgesehen, zumal eine Überschreitung des zulässigen Spitzenpegels von 90 Dezibel nicht festgestellt wurde, der Immissionsrichtwert für ein Kerngebiet von 60 Dezibel nur geringfügig. "Von daher sehe ich der Klage vergleichsweise gelassen entgegen", sagt Andreas Köster.

Wie das Amtsgericht aber letztlich entscheidet, das weiß er nicht. Ein Termin vor dem Amtsgericht an der Goerdelerstraße steht jedenfalls noch nicht fest.

Andreas Köster will sich auf jeden Fall wehren und verweist darauf, dass die Firma Leiber eine Genehmigung der Stadt für das Glockenspiel habe. "Überdies hatte das Ordnungsamt der Stadt Solingen in den vergangenen 58 Jahren nicht eine Beschwerde wegen des Glockenspiels", argumentiert der Geschäftsmann.

"Am liebsten wäre uns natürlich, die Klage wird zurückgezogen und der Fall ist damit erledigt", erklärt Köster, der über seinen Anwalt mehrfach ein persönliches Gespräch angeboten hatte. Dazu sei es aber wegen "unannehmbaren Vorleistungsforderungen an uns" nicht gekommen.

(RP)
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