Solingen Nach vorne schauen, ohne zu vergessen

Solingen · Die Veranstaltungen zum 20. Jahrestag des Brandanschlages sollen zukunftsweisend sein und binden junge Leute ein.

 Solingen setzt Jahr für Jahr Zeichen gegen Rassismus und Gewalt. Auch der 20. Jahrestag des mörderischen Brandanschlages soll den Blick nach vorne richten.

Solingen setzt Jahr für Jahr Zeichen gegen Rassismus und Gewalt. Auch der 20. Jahrestag des mörderischen Brandanschlages soll den Blick nach vorne richten.

Foto: Thilo Saltmann (Archiv)

Wenn am 25. Juni in Berlin der Genç-Preis übergeben wird, so ist er erstmals aufgeteilt in einen Hoffnungspreis und einen Versöhnungspreis. Unter diesen beiden Stichworten, Hoffnung und Versöhnung, stehen auch die vielfältigen Veranstaltungen, die die Stadt Solingen zum 20. Jahrestag im Gedenken an den Mordanschlag auf das Haus der Familie Genç an der Unteren Wernerstraße anbieten wird.

Erfolgreich gestartet ist bereits ein Internet-Blog, in dem Menschen ihre Erlebnisse rund um das Thema alte und neue Heimat schildern (www.zuhause.solingen.de). Schon hier wird eine bunte Vielfalt deutlich. Der seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Inder Kanak Chandresa schildert seine Erlebnisse in der Stadt, die längst Heimat für ihn geworden ist. Aber auch nachdenkliche Beiträge sind zu finden, wie die fiktiven Geschichten eines Obdachlosen, der im Bahnhof erschlagen wird, oder des Farbigen, dem bei einer Busfahrt blanker Hass entgegenschlägt. Der Blog im Internet ist weiter offen, die besten Geschichten werden später prämiert und veröffentlicht.

Für alle Veranstaltungen hat die Stadt ein Logo entworfen "Solingen Toleranz und Vielfalt", das sich bei allen Veranstaltungen zum Gedenken, Rückblick und Ausblick wiederfindet. So auch in einer Ausstellung mit "Roll-ups", mit Informationstafeln, zu verschiedenen Themenbereichen, die derzeit erarbeitet werden und später in einer Wanderausstellung zu sehen sind.

Die Veranstaltungen rund um den Jahrestag beginnen mit einer Fachtagung, an deren Ende ein gemeinsamer Gang zum Unglücksort an der Unteren Wernerstraße steht, auf dem heute fünf Kastanien an die fünf Mordopfer erinnern. Am 29. Mai selbst wird es wie schon in den Jahren zuvor einen Sternmarsch zur offiziellen Gedenkveranstaltung im Theater und Konzerthaus geben. Auch die anschließende Verleihung des Silbernen Schuhs für Toleranz und Zivilcourage hat schon Tradition in Solingen. Zuvor wollen Mitglieder der Fokolar-Bewegung auf dem Gelände einen weiteren Friedensbaum pflanzen.

Mit dem Jahrestag endet die Veranstaltungsreihe nicht, noch im November wird beim Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht ins Gedächtnis gerufen, wohin der Hass auf Fremde führen kann, den nach Auffassung des Düsseldorfer Oberlandesgerichts die vier jungen Männer getrieben hat, die am 29. Mai 1993 im Windfang des Hauses der Familie Genç Benzin anzündeten und so den Tod von fünf Menschen verursachten. Markus Gartmann war der älteste von ihnen, er bekam 15 Jahre Haft nach dem Erwachsenenstrafrecht, während Christian R., Felix K. und Christian B. nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurden. Gegen sie wurde die Höchststrafe von zehn Jahren verhängt nach einem Prozess, der sich über 18 Monate erstreckte und bei dem 285 Zeugen zu Wort kamen.

"Integration und Zuwanderung haben in der kommunalpolitischen Debatte einen hohen Stellenwert", stellt Oberbürgermeister Norbert Feith in seiner monatlichen Kolumne auf der städtischen Internetseite fest. Es sei ein Anliegen aller, dass die Stadt ganz besondere Verantwortung trage für das friedvolle Zusammenleben der 130 in Solingen beheimateten Nationen.

Einer der diesjährigen Empfänger des Genç-Preises ist Ismail Yozgat, der Vater eines der Opfer, die vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet wurden, ruft wie auch Mevlüde Genç zum friedlichen Miteinander auf.

Er habe trotz tiefer Trauer nie plakativ Deutschland und die Deutschen beschuldigt, heißt es in der Begründung zur Preisverleihung durch die Türkisch-deutsche Gesundheitsstiftung. Auch er hat wie einst die Familie Genç "starkes Vertrauen in die deutsche Justiz und das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates".

(RP)
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