Solingen Mulmiges Gefühl bei Fahrt über die Brücke

Solingen · Seit Donnerstag zuckelt der Müngstener im Schneckentempo über die Brücke. Baudezernent Hartmut Hoferichter hat Nachricht von der Bahn, dass die kaputten Läger so bald wie möglich repariert werden sollen.

In 107 Metern Höhe. Es knirscht ein wenig, die Räder quietschen unterhalb des Abteilbodens von der Last des Zuges. Langsam wälzt sich der Müngstener auf seiner Strecke über die 112 Jahre alte Brücke in Richtung Remscheid. Gegen Ende der Überfahrt ertönt eine Durchsage des Zugführers: "Ab heute gilt auf der Müngstener Brücke eine Geschwindigkeitsbegrenzung von zehn Stundenkilometern."

Auf jedes Knacken hören

Ein "etwas unheimliches Gefühl" hat Ulrike Krant inzwischen beim Überqueren von Deutschlands höchster Eisenbahnbrücke. Sie ist Lehrerin bei einem Bildungsträger des Diakonischen Werkes in Solingen und auf dem Heimweg. "Heute morgen ist der Zug noch normal schnell über die Brücke gefahren", sagt sie und fährt sogleich fort: "Ich fühle mich aber schon etwas verunsichert und achte auf jedes Knacken. Ein etwas unheimliches Gefühl eben, jetzt wo man weiß, dass die Müngstener Brücke nicht mehr stabil ist."

In diesem Punkt kann sie der bergische Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt beruhigen: "Es besteht keine Gefahr für Leib und Leben." Durch die kaputten Läger baue sich bei normaler Nutzung ein hoher Druck auf die Brückenpfeiler auf, der zu schweren Schäden am Tragegerüst führen könne, aber nicht dazu, dass die Brücke beim Passieren eines Zuges plötzlich in sich zusammenfalle. Doch trotzdem dulde die Reparatur keinen Aufschub, habe es von den Verantwortlichen vergangene Woche Montag geheißen, berichtete Hardt: Es sei zugesichert worden, "unverzüglich" die fest geklemmten Läger zu ersetzen. Bei der Bahn-Pressestelle gab man sich dazu gestern äußerst wortkarg: Wann der Austausch passiere, ob noch in diesem oder im nächsten Jahr, könne man nicht sagen.

Solingens Baudezernent Hartmut, der sich nach der überraschenden Nachricht umgehend ans Telefon hängte, weiß es genauer: "Der Leiter des Bahnkundenmanagements in Düsseldorf hat mir eben mündlich zugesichert, dass die Bahn bereits in Gesprächen ist mit Herstellern solcher Läger und dass so bald wie möglich mit der Reparatur begonnen werden soll."

Was die verordnete Begrenzung des Gewichts — es dürfen nur noch leichtere Triebwagen, wie die Baureihe des 628 die Brücke passieren — für das beliebte Brückenfest bedeutet, das wird sich erst in nächster Zeit klären. Beim Deutschen Eisenbahnmuseum in Bochum macht man sich bereits Gedanken, welche historischen Züge überhaupt fahren könnten.

Pendler Christian Pentek fände es ausgesprochen schade, wenn das diesjährige Brückenfest ausfällt, "da ich selbst als ehrenamtlicher Mitarbeiter für den dortigen Speisewagenservice tätig bin." Ein mulmiges Gefühl hat er nicht. "Die Brücke hat 112 Jahre lang gehalten, warum also nicht auch heute", sagt der Solinger, der in Remscheid eine Ausbildung zum Hotelfachmann macht.

Durch die Drosselung der Geschwindigkeit auf Schneckentempo verlängert sich die Fahrtzeit um drei bis vier Minuten, meldete gestern die Bahn. Für Lehrerin Ulrike Krant kein Problem. Sie arbeitet direkt in Ohligs. Für manch anderen Bahnkunden könnte es allerdings eng werden, wenn er in in die S 1 wechseln will. Derzeit gibt es laut altem Fahrplan ein Zeitfenster von fünf Minuten.

Enttäuscht zeigte sich Jürgen Hardt über die anhaltenden Kommunikationsprobleme zwischen der Bahn und dem Eisenbahnbundesamt: "Beim Gespräch vergangene Woche Montag mit der Bahn hatte ich den Eindruck, dass deren Manager mit offenen Karten spielen und keiner wusste, dass es zu Einschränkungen kommen wird." Aber eines unterstreicht auch der Bundestagsabgeordnete: "Wenn es der Sicherheit dient, sind die Beschränkungen auf jeden Fall in Ordnung."

(RP)
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