Solingen Mobbingklage: Stadt gewinnt

Solingen · Angestellte hatte 893 000 Euro Schmerzensgeld gefordert. Richter nennt Klage "absurd".

Eine 51-jährige Bedienstete der Stadt Solingen ist gestern vor dem Arbeitsgericht mit dem Versuch gescheitert, eine Rekordsumme an Schmerzensgeld einzuklagen. Die Frau, die bei der Stadt als Betriebswirtin arbeitet, hatte von ihrem Arbeitgeber 893 000 Euro Schmerzensgeld verlangt, da sie sich von ihren Vorgesetzten seit Jahren gemobbt fühlt.

Der Vorsitzende Richter bezeichnete die Höhe der Forderung gestern als "absurd". Dabei konnten sich Prozessbeobachter allerdings nicht des Eindrucks erwehren, dass der gesamte Revisionsdienst der Stadt, bei dem die Frau arbeitet, nicht in Solingen, sondern in Absurdistan liegt. Seit Längerem schon befindet sich die 51-Jährige mit zwei Vorgesetzten im Streit. So begaben sich die beiden Chefs vor einigen Jahren in einer Teeküche im Rathaus Bonner Straße regelrecht auf die Pirsch, um von dort aus Arbeitsbeginn und Feierabend der Frau zu überwachen. Mit dem Ergebnis, dass ihr schließlich fristlos gekündigt wurde.

Diese Entlassung wurde später vom Arbeitsgericht zwar für nichtig erklärt, da die Vorgesetzten nicht beweisen konnten, die Frau habe bei der Arbeitszeit geschummelt. Doch auch nach dem Urteil kehrte in den Revisionsdienst keine Ruhe ein. Die Frau bekam zunächst nicht ihren alten Arbeitsplatz an der Bonner Straße zurück, sondern musste im Klinikum arbeiten. Und auch sonst fühlte sich die Angestellte weiter schlecht behandelt, so dass sie schließlich die Schmerzensgeldklage einreichte.

Nachdem zunächst keine Summe genannt worden war, bezifferte der Anwalt der Klägerin, der Hattinger Rechtsanwalt Michael Hiesgen, den Schaden seiner Mandantin schließlich auf jene 893 000 Euro, die gestern zur Verhandlung standen. Begründet wurde die Forderung mit einer abschreckenden Wirkung, die ein Urteil auf Arbeitgeber haben müsse. "10 000 Euro reichen in diesem Fall nicht", sagte Hiesgen unserer Zeitung.

Gleichwohl, eine juristische Begründung für die an amerikanische Verhältnisse erinnernde Summe blieb der Anwalt gestern schuldig. "In einem viel schlimmeren Fall wurden einer Frau 1998 einmal 100 000 Mark zuerkannt", sagte der Richter zur Einordnung in deutsche Rechtsgepflogenheiten. Und da das Gericht ohnehin nicht zu erkennen vermochte, dass die Frau nach ihrer Wiedereinstellung fortgesetztem Mobbing ausgesetzt war, wurde die Klage schließlich abgewiesen.

Den Vorschlag der Stadt, eine neutrale Streitschlichtung einzuschalten, hatte die 51-Jährige zuvor bereits abgelehnt. Stattdessen kündigten sie und ihr Anwalt an, nun in der nächst höheren Instanz das Schmerzensgeld einklagen zu wollen.

(RP)
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