Solingen Mehr Angebote für Jugendliche dringend nötig

Solingen · In einem Siegburger Gefängnis ist ein 20-Jähriger von Gleichaltrigen ermordet worden, in Solingen wurde ein 15-Jähriger von einem 16-Jährigen mit einem Messer angegriffen. Zur gleichen Zeit plant die Stadt einen runden Tisch zu auffälligen Jugendlichen. Morgenpost-Redakteurin Susanne Genath sprach darüber mit Norbert Schäfer, dem Leiter der Jugend- und Drogenberatung.

Mörder, Messerstecher – nimmt die Zahl der brutalen Jugendlichen zu?

Schäfer Zunächst einmal muss man platt sagen: Idioten hat es schon immer gegeben, zu allen Zeiten. Die große Mehrheit der Jugendlichen geht heute zum Glück sehr gut miteinander um. Was jedoch zunimmt, sind die schlechten Bedingungen, unter denen bestimmte Jugendlichen heute leben müssen – sowohl draußen, als auch im Knast. Sie werden in einer besonderen Art und Weise alleine gelassen und sind damit häufig überfordert.

Inwiefern?

Schäfer Wenn Jugendzentren immer knapper besetzt werden und das Angebot für junge Männer und Frauen immer weiter abnimmt, muss man sich nicht wundern, wenn die Jugendlichen nicht wissen, was sie tun sollen. Hinzu kommt die steigende Arbeitslosigkeit unter den jungen Menschen. Wer nach der Schule keinen Job findet, lebt ohne Perspektive vor sich hin. Ohne Arbeit fehlen ihm wichtige soziale Kontakte, die er woanders suchen muss, möglicherweise in Schläger- oder Säufergruppen. Dasselbe gilt für die Gefängnisse.

Woran mangelt es da?

Schäfer In Gefängnissen werden immer weniger Mittel für Seelsorger, Sozialarbeiter und Bedienstete ausgegeben, dafür immer mehr für die Sicherheitsanlagen. Auch wir waren in Wuppertal einmal als Drogenberater tätig, wurden jedoch eingespart. Ohnehin überlastete Sozialarbeiter müssen unseren Job nun mitmachen. Dabei ist gerade die persönliche Betreuung wichtig für die Sicherheit. Denn wenn Jugendliche stundenlang in Zellen zusammengepfercht sind, züchtet man sich eine Zeitbombe heran.

Was kann nun ein runder Tisch zu auffälligen Jugendlicher bewirken?

Schäfer Es gibt keinen Jugendlichen, der heute Klassenbester und morgen im Jugendknast sitzt. Wer auf die schiefe Bahn gerät, fällt immer irgendwann auf – ob in der Schule oder woanders. Und je besser die Stellen, die mit Jugendlichen zu tun haben, zusammenarbeiten, desto besser ist die Aussicht, einen auffälligen Jugendlichen wieder zu integrieren. Genauso wichtig sind aber auch mehr Job- und Freizeitangebote für Jugendliche.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort