Liedermacher wegen Körperverletzung vor Gericht Facebook-Nachhilfe im Prozess mit dem „Singenden Baron“

Solingen / Wuppertal · Ein Richter im Zeugenstand: Allzu oft kommt ein solcher Seitenwechsel nicht vor. Im Prozess gegen einen Liedermacher aus Euskirchen war er allerdings nötig geworden.

Der Angeklagte soll eine Solingerin in deren Wohnung geschlagen und zur Herausgabe von 400 Euro genötigt haben. Die Sache war bereits vor dem Amtsgericht verhandelt worden. Am Ende hatte der „Singende Baron“  den Gerichtssaal mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und und sechs Monaten verlassen – und war deutlich verstimmt. Übrigens: Der Adelstitel? Nicht gekauft, sondern geschenkt.

Nun also die Berufungsverhandlung und am letzten Verhandlungstag mit dem Richter im Zeugenstand, der einst das Urteil verkündet hatte. Geladen hatte ihn die Verteidigerin des Angeklagten, der sich im Gegensatz zur erstinstanzlichen Verhandlung diesmal nicht selbst einlassen wollte.

Dass es mit der Solingerin anfangs nur eine Geschäftsbeziehung gegeben haben soll, die dann doch drei Tage und zwei Nächte gedauert habe. Dass sie ihm nachgestellt habe und offenbar zu seinem Fanclub gehöre. Dass sie ihn auf Facebook gestalkt und er sie dort blockiert habe. All das war Thema einer Verhandlung, die zwischenzeitlich sogar auf den Gerichtsvorplatz verlegt wurde. Der Grund: Die Frau wollte dem Gericht beweisen, dass sie dem Angeklagten keine Freundschaftsanfrage über Facebook geschickt haben will.

„Er war Abo“, ließ sie den Berufungsrichter wissen. Und der musste notgedrungen feststellen, dass ohne Facebook heutzutage nichts mehr läuft. Was ist Abonnieren? Und wann schickt man jemandem eine Freundschaftsanfrage? Ohne Durchblick in den sozialen Medien steht man augenscheinlich auch vor Gericht längst auf dem sprichwörtlichen Schlauch. Also gab es einen Kurzlehrgang in Sachen Facebook und dann die kurzzeitige Verlegung der Verhandlung aus dem Funkloch an die frische Luft mit bestem Internetempfang.

Der Richter im Zeugenstand hatte zuvor auch darüber gesprochen, was die Solingerin einst ausgesagt hatte. Der Angeklagte habe Geld von ihr gewollt – und als sie ihm das nicht habe geben wollen, habe er sie geschlagen und durch die Wohnung ins Badezimmer gezerrt. Dort angekommen, habe er ihren Kopf gegen die Wand gedrückt und sie gewürgt. Sie habe nach einer Bierflasche gegriffen und diese dem Angeklagten auf den Kopf geschlagen. Dann sei sie bewusstlos geworden. Ein Bekannter hatte die Szene durchs Fenster beobachtet, und irgendwann kam auch die Managerin des Liedermachers dazu.

Nun also sah man sich vor dem Berufungsgericht wieder – und es lief über mehrere Verhandlungstage so, wie es der Verteidiger der Nebenklägerin für beide Parteien in Worte fasste: „Emotionen bei hundert, Objektivität bei null.“ In dessen Plädoyer tauchte auch der Internetclub der vom „Singenden Baron“ geschädigten Frauen auf. Offenbar hatte es einen größeren Fanclub von Damen gegeben, die dem klammen Liedermacher mit Geld aus dem Finanzloch helfen wollten. Auch die Zeugin in diesem Verfahren soll ihm angeblich zugesagt haben, ein Benefiz-Konzert in Dubai organisieren zu wollen. Deren dort lebenden Familienangehörigen teilten das Faible für den Liedermacher offenbar nicht – jedenfalls verliefen die Planungen im Sande.

Um den Mann dennoch nach Solingen zu locken, habe sie ihm einen teuren Koffer gekauft. Die 400 Euro, die er von der Frau auch noch habe haben wollte, seien die vereinbarten Spesen für die Anreise gewesen – so sah es jedenfalls der Angeklagte. Warum sich die angebliche Geschäftsbeziehung über mehrere Tage und Nächte ausdehnte, konnte er nicht plausibel erklären. Entsetzt sei er allerdings gewesen, dass ihn die Solingerin in deren Bett schlafend fotografiert und die Bilder bei Facebook hochgeladen habe.

Für die Staatsanwältin war die Sache klar. Sie forderte in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Das Gericht blieb unter diesem Strafrahmen und verurteilte den Angeklagten wegen Körperverletzung zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Hinzu kommen 200 Arbeitsstunden und eine Geldbuße von 1200 Euro, die der Liedermacher an eine gemeinnützige Organisation zahlen muss. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig.

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