Vorstand ist zurückgetreten Führungswechsel bei der Solinger Lebenshilfe nach Streit um Standort

Solingen · Der Vorstand trat nach heftiger Kritik bei Mitgliederversammlung zurück. Ein am selben Abend gewählter neuer Vorstand will nun schnell Gespräche führen.

 Prof. Dr. Susanne Schwalen (am Mikrofon), bisher Vorsitzende der Lebenshilfe, trat mit ihren Vorstandskollegen am Dienstag zurück.

Prof. Dr. Susanne Schwalen (am Mikrofon), bisher Vorsitzende der Lebenshilfe, trat mit ihren Vorstandskollegen am Dienstag zurück.

Foto: Alexander Riedel/Aleander Riedel

Die zuletzt zunehmend erbittert geführte Auseinandersetzung um den zukünftigen Standort der Lebenshilfe-Werkstatt für Behinderte hat jetzt an der Spitze des Vereins zu einem regelrechten Erdbeben geführt. Denn nachdem bei einer Mitgliederversammlung am Dienstagabend in der evangelischen Stadtkirche erneut massive Kritik an den Plänen für einen Werkstatt-Neubau auf dem alten Silag-Areal an der Wuppertaler Straße im Stadtteil Gräfrath laut geworden ist, hat der bisherige Vorstand um die Vorsitzende Prof. Dr. Susanne Schwalen mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt erklärt. Und auch der Verwaltungsrat der Werkstätten ist zurückgetreten.

Noch am gleichen Abend wählten die 118 anwesenden Vereinsmitglieder einen neuen vierköpfigen Vorstand, bestehend aus Elke Suffenplan, Renate Wischnewski, Peter Heinen und Gerd Schulz. Die stimmberechtigten Mitglieder entlasteten zuvor den alten Vorstand mehrheitlich. Die nun neu Gewählten kündigten am Mittwoch an, in Sachen Werkstatt schnell aktiv werden zu wollen. Zuletzt habe der alte Vorstand die Bedenken des Elternbeirats wegen des potenziellen Standorts Gräfrath nicht mehr aufgegriffen. „Nun müssen zeitnah Gespräche geführt werden“, sagte Elke Suffenplan vom neuen Lebenshilfe-Vorstand. Dabei mochte sie, die insgesamt von einer „verfahrenen Situation“ sprach, zunächst keinen möglichen Standort – auch nicht den auf dem heutigen Werkstatt-Gelände an der Freiheitstraße in Wald – prinzipiell ausschließen.

Allerdings war der Landschaftsverband Rheinland (LVR) als eine entscheidende Institution schon im Sommer zum Schluss gekommen, dass die Option Freiheitstraße keine Chance besitze. Stattdessen machte sich der LVR für die vom alten Vorstand favorisierte Lösung Wuppertaler Straße stark. Denn dort sollte mit Hilfe von Unternehmer Siegfried Lapawa, Eigentümer des Silag-Geländes in Gräfrath, eine neue Werkstatt errichtet werden. Diese hätte nach Ansicht des alten Vorstandes den Vorteil besessen, den 620 behinderten Mitarbeiter und den 150 anderen Angestellten der Werkstatt dauerhaft sichere Jobs zu bieten.

Die Stadt kündigte derweil an, die Lebenshilfe unverändert unterstützen zu wollen. Der gemeinnützige Verein sei ein wichtiger Arbeitgeber und Partner, wie die Stadt in einer Stellungnahme erklärte. Bewerten wolle man die Neuwahl nicht. „Wir hoffen, dass nach dem Wechsel im Vorstand die anstehenden Entscheidungen mit Ruhe und Bedacht getroffen werden können“, sagte Solingens Sozialdezernent Jan Welzel. Es sei wichtig, die Zukunftsfragen konstruktiv zu diskutieren. Insbesondere bei der Standort-Frage seien alle Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

„Es geht um die Belange der Beschäftigten, der Menschen mit Behinderung – und es geht um einen Kurs, der wirtschaftlich tragfähig ist“, sagte Welzel, der die Versammlung auf Wunsch der Lebenshilfe moderierte. Nun gebe es die Chance, den Blick nach vorne zu richten. Dabei stellte Welzel klar: „Die Lebenshilfe ist mit dem neuen Vorstand handlungsfähig. Meine Anerkennung gilt sowohl dem scheidenden als auch dem neuen Vorstand: Hier wird ehrenamtlichem Engagement viel abverlangt.“

Der alte Vorstand bedauerte die Entwicklung. „Allerdings war ein Rücktritt wegen der Angriffe auf uns nötig“, sagte Ex-Vorstands-Mitglied Jürgen Isermann. Parallel fürchtet er, die Lebenshilfe könnte geschädigt werden. So werde es sie zurückwerfen, wenn Mitarbeiter in andere Werkstätten wechselten, da die Zustände am Standort Wald nicht mehr zeitgemäß seien und es keine Aussicht auf Änderungen gebe.

Siegfried Lapawa wiederum reagierte am Mittwoch überrascht angesichts der Ereignisse. „Ich bedauere dies. Das Projekt mit einer Werkstatt in Gräfrath ist eine einmalige Chance gewesen“, sagte der Unternehmer. Er selbst, so Lapawa, sehe indes keinen „Gesprächs- oder Handlungsbedarf“ in der Angelegenheit.

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