Solingen Länger als lebenslang?

Solingen · Prozessauftakt gegen Grünewald-Bankräuber: Ihm droht Sicherungsverwahrung. Die Zeiger der Uhr in Saal 9 des Wuppertaler Landgerichts näherten sich unaufhaltsam der 12. Zwei Stunden waren bereits vergangen, in denen der Mann im Blazer durchaus wortgewandt über sein Leben berichtet hatte.

Bereitwillig hatte der 36-Jährige Auskunft darüber gegeben, wie er schon früh unter den Anforderungen der Mutter gelitten ("Ich sollte Arzt werden"), und wie er schließlich zu ihrer Enttäuschung eine Koch-Lehre begonnen hatte. Auch dunkle Flecken in der Vita sparte der Angeklagte nicht aus, erzählte von seiner Alkoholsucht, von einer privaten wie beruflichen Odyssee, die ihn, den gebürtigen Bayern, schließlich in Solingen stranden ließ. Und schließlich stand er auch Rede und Antwort, als es um seinen Geltungsdrang und seine Vorstrafen ging: "Ich habe mein bisheriges Leben nur auf Lügen aufgebaut!"

Mann wurde durch Pistole verletzt

Wie gesagt, der schlanke Mann, der sich seit gestern vor der 10. Großen Strafkammer des Vorwurfs erwehren muss, 2007 zwei Mal die Sparkassenfiliale Grünewald sowie eine Bank in Burscheid überfallen zu haben, gab über weite Strecken einen Angeklagten, wie man ihn sich wünscht: kooperativ, reuig — und vor allem voll geständig. Doch als der Vorsitzende schließlich auf die Hintergründe der Taten zu sprechen kam, da plötzlich wurde der Mann mit insgesamt 16 Eintragungen im Strafregister merkwürdig eintönig. Nur so viel: "Ich hatte mit Glücksspielen begonnen und 75 000 Euro Schulden angehäuft."

Doch ist das wirklich der Grund, der ihn zum Räuber werden ließ, der rund 24 000 Euro erbeutete und nicht davor zurückschreckte, mit einer scharfen Waffe zu schießen? In Burscheid wurde dabei ein Mann leicht verletzt. Das Gericht jedenfalls hegt große Zweifel an der Version des Angeklagten, er sei von seinen Gläubigern aus dem kriminellen Milieu so massiv unter Druck gesetzt worden, dass er keinen anderen Ausweg mehr gesehen habe. "Nennen Sie die Namen der Unbekannten", forderte der Richter — nur um bei dem Angeklagten aufzulaufen: "Dann sind meine Verlobte und Tochter in Lebensgefahr."

"Unglaubwürdige Version"

Gleichwohl, der 36-Jährige wird Mühe haben, die Kammer von der Existenz der Hintermänner zu überzeugen. Immerhin besteht ja auch die Möglichkeit, dass er die Überfälle aus eigenem Antrieb beging, um sich ein finanzielles Polster zu schaffen. "Ihre Version klingt unglaubwürdig", erklärte der Vorsitzende, der dem Angeklagten die Gefahr einer Sicherungsverwahrung nach Verbüßen der zu erwartenden Strafe vor Augen führte: "Ihnen droht vielleicht mehr als Lebenslang."

Ein Gutachten legt dies nahe. Immerhin verbrachte der Mann seit der Jugend elfeinhalb Jahre wegen Diebstahls und anderer Delikten in Haft. Die Bankraubserie bedeutete eine weitere "Eskalation", wie er selbst einräumte.

(RP)
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