Kunstaktion in Solingen Verwandlung des Höhscheider Denkmals

Höhscheid · Mit einer Kunstaktion soll auf die Geschichte des tristen Platzes aufmerksam gemacht werden.

 Das Denkmal wurde von zwei anonymen Künstlerinnen bemalt.

Das Denkmal wurde von zwei anonymen Künstlerinnen bemalt.

Foto: Ansgar Sperk

Verhüllt von einem mit weißer Leinwand bespannten Gerüst und das Pflaster rundherum sorgsam mit Folie abgedeckt, erwarteten zahlreiche Neugierige sowie lokale Prominenz aus Kunst, Kultur und Politik die malerische Wandlung des Denkmals am Peter-Höfer-Platz. An dessen Stelle stand zuvor eine Statue von Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen, des späteren Kaiser Wilhelm I. Dieses ließen einige Solinger 1937 auf eigene Rechnung durch ein heroisches Ehrenmal des lokalen Bildhauers Harry Stratmann ersetzen. Es zeigt einen Schwert schwingenden Krieger mit wehender Fahne und steht in seiner martialischen Ästhetik dort bis heute weitgehend unwidersprochen.

„Hass und Gewalt sind niemals einfach da, sie werden von Menschen gemacht und sind gewollt. Dies zu verstehen und diesem zu widerstehen, bedarf es einer wachen und aufgeklärten Erinnerungskultur“, beschrieb Christa-Maria Berger, Vorsitzende des Solinger Kunstvereins, in ihrer Begrüßung die Motivation der Aktion. „Besonders in kriegerischen Zeiten wie diesen, in der die Demokratie zusehends bröckelt und Menschen, die anders sind oder denken, zunehmend Anfeindung erleben, ist mutige Kunst gefragt.“

Kulturdezernentin Dagmar Becker schloss sich dem mit Dank an alle Beteiligten an: „Es ist höchste Zeit, diesen Ort und dieses Denkmal mit seiner Geschichte wieder zurück ins Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zuholen.“ Das ist am Sonntagvormittag insofern schon gelungen, als dass die Kunstaktion das eher triste Umfeld belebte. Weiterhin betonte sie: „Es geht hier nicht um die Beschädigung eines Kunstwerks, sondern im Gegenteil um dessen befristete Aufarbeitung und Erneuerung mit modernen Mitteln der zeitgenössischen Kunst.“ Ausdrücklich begrüßte sie den Vorschlag, das Ehrenmal um eine Infotafel zu ergänzen.

„Als Kunstschaffende steht es uns nicht zu, und ist es auch nicht unsere Aufgabe, über Harry Stratmann historisch den Stab zu brechen, aber seine Mitgliedschaft in der NSDAP ist belegt“, erläuterte Andreas Schäfer, stellvertretender Vorsitzender des SGKV. „Dieses Monument sollte die Kriegslust schüren und die Bevölkerung auf das einstimmen, was ihr noch bevorstand.“

Mit Schutzbrillen und Schutzanzügen bestiegen zwei anonyme Künstlerinnen der Künstlergruppe mit dem biblischen Namen Ester schließlich den Hubsteiger. Die Schülerinnen des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch und von dessen dramatischer Musik untermalt, betropften, bespritzten und begossen die weiße Leinwand mit roter Farbe. Dabei zitierten sie den österreichischen Lyriker Erich Fried, dessen Vater an den Folgen eines Verhörs der Gestapo starb und der daraufhin nach London emigrierte. Im Gedenken an alle Opfer von Faschismus, Rassismus und Gewalt waren zum Abschluss die Anwesenden eingeladen, kleine Holzkreuze niederzulegen.

Durchaus im Sinne der Macher eine Kontroverse zu schaffen, gefiel nicht jedem die außergewöhnliche Action-Painting-Performance. Im Vorbeigehen war zu hören, dass das Gerüst am besten gleich wieder eingerissen gehöre. „Eine spannende Geschichte und eindringlicher Appell an die Gegenwart“, befand hingegen Hans-Werner Bertl vom Bündnis „Solingen ist Bunt statt Braun!“. Es brauche womöglich manchmal eine gewisse Provokation, um die Vergangenheit zu hinterfragen und für die Zukunft zu lernen.

„Wie schön wäre es doch, wenn solche Aktionen das Leid in der Welt wenigsten mindern, wenn schon nicht verhindern könnten“, wünschte sich Anwohner Rudi Henning. Der 90-Jährige kann bis heute die vielen Freunde und Schulkameraden nicht vergessen, die damals einer nach dem anderen eingezogen wurden und nie wieder zurück nach Hause kamen.

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