Solingen Kreuzfahrt-Opfer prüfen Klage

Solingen · Natascha Kohl und Oliver Tank haben die "Concordia"-Katastrophe überlebt. Doch der Alltag kehrt für die Solinger nur langsam zurück. Die Reederei will Schäden ersetzen, das Paar hat sich aber dennoch einen Anwalt genommen.

Die Einsatzkräfte an der "Costa Concordia" haben inzwischen 16 Leichen aus dem Wrack des auf Grund gelaufenen Kreuzfahrtschiffes geborgen. Doch noch immer werden rund 20 Personen vermisst — und jedes Mal, wenn die Helfer einen weiteren Toten finden, kehren bei Natascha Kohl die Erinnerungen an die schlimmsten Momente ihres Lebens zurück. "Wir verfolgen ständig die Nachrichten", sagt die 26-jährige Solingerin, die mit Freund Oliver Tank (24) an Bord des Unglücksschiffes war.

Knapp zwei Wochen nach der Katastrophe vor der italienischen Insel Giglio kehrt für die jungen Solinger der Alltag erst langsam wieder zurück. In letzter Sekunde hatte es das Paar auf ein Rettungsboot geschafft und war von dem in Seenot geratenen Schiff gerettet worden. Die Reederei "Costa Crociere" meldete sich inzwischen bei den Solingern und erklärte, den Reisepreis erstatten zu wollen. Dennoch hat sich Natascha Kohl einen Rechtsanwalt genommen. "Wir prüfen, ob wir die Reederei verklagen", sagte sie gestern.

Neben den materiellen Schäden sind es vor allem die seelischen Folgen, die die 26-Jährige weiterhin belasten. "Costa Crociere" bot auch psychologische Hilfe an, die Natascha Kohl aber nicht in Anspruch nahm. "Ich befinde mich bereits in therapeutischer Betreuung", sagte die Studentin, die so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren möchte.

Übermorgen beginnt an der Bergischen Universität Wuppertal, an der die 26-Jährige zur Grundschullehrerin ausgebildet wird, die Klausurphase. Fünf Prüfungen stehen auf dem Programm, von denen Natascha Kohl zumindest einige ablegen möchte. "Ob ich alle Klausuren schaffe, weiß ich aber noch nicht", sagte sie.

Denn in den knapp 14 Tagen, die seit dem Unglück vergangen sind, war das Leben von Natascha Kohl und Freund Oliver Tank alles andere als normal. Erst gestern besuchte ein weiteres Fernsehteam die junge Solingerin in ihrem Elternhaus an der Wupperstraße in Mitte. Zuvor hatte die 26-Jährige schon unzählige Interviews gegeben, bei denen sie immer wieder die Stunden der Katastrophe schildern musste. Wie sie beim Abendessen die Kollision der "Costa Concordia" mit einem Felsen bemerkte, wie sie danach mit Oliver Tank durch die endlosen Korridore des riesigen Schiffs irrte, wie immer wieder das Licht an Bord ausging, wie das Paar überlegte, ob es in das eiskalte Wasser springen sollte — und wie die jungen Solinger schließlich gerettet wurden.

"Manchmal wird alles zu viel", sagt Natascha Kohl, die darüber hinaus in den vergangenen Tagen etliche Behördengänge und weitere Erledigungen zu machen hatte. Da sie bei der Havarie praktisch alles an Bord der "Costa Concordia" zurücklassen musste, galt es jetzt beispielsweise, eine neue Bankkarte und einen vorläufigen Personalausweis zu beantragen.

Natascha Kohl und Oliver Tank wollen nie mehr eine Kreuzfahrt machen. Prinzipiell gibt es aber keinen Nachfragerückgang bei Kreuzfahrten. "Das haben wir nicht festgestellt", sagte gestern Burkhard Stabenow vom Reisebüro Stabenow in Solingen. Zwar würden einige Kunden nach der Sicherheit auf den Schiffen fragen. Es habe nach der "Concordia-Katastrophe" aber keinen Buchungsrückgang gegeben.

(RP/url)
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