Krankenhauslandschaft in Solingen und Umgebung Nach Solingen schließt Kplus auch die Kliniken in Hilden und Haan
Update | Solingen/Hilden/Haan · In Mitarbeiterversammlungen wurden am Mittwochvormittag die Belegschaften an den drei Kplus-Standorten informiert: 1500 Mitarbeiter – darunter 150 Auszubildende – verlieren ihre Arbeitsplätze.
Die Kplus-Gruppe wird nicht nur das Krankenhaus St. Lukas in Solingen schließen: In drei Mitarbeiterversammlungen an den betroffenen Standorten haben die Belegschaften am Mittwochmorgen erfahren, dass auch die Krankenhäuser in Hilden und Haan geschlossen werden sollen.
In einer Pressemitteilung, die das Unternehmen daraufhin veröffentlichte, macht es dem NRW-Gesundheitsministerium harsche Vorwürfe: „Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen verhindert, dass die Kplus Gruppe ihre Geriatrie an den Standort in Hilden verlagert“, heißt es darin.
Ursprünglich sei von Düsseldorf zugesichert worden, dass das Planungsverfahren Anfang Oktober beendet sein werde. Nunmehr sei „eine endgültige Entscheidung für November angekündigt. Dabei stehe man unter Zeitdruck, sagt Kplus-Geschäftsführer Kai Siekkötter: „Das Land weiß um unser Insolvenzverfahren und dass wir verbindliche Aussagen brauchen.“ Stattdessen habe das Ministerium verlautbaren lassen, dass die Geriatrie nicht von St. Lukas in Ohligs nach Hilden verlegt werden soll.
Das habe zur Folge, dass die Kplus-Gruppe ihre drei Standorte in Solingen, Haan und Hilden schließen muss. Denn nach dem Verlust der Neurologie sei das der zweite schwere Schlag: „Das können wir wirtschaftlich nicht kompensieren“, sagt Stefan Denkhaus, Generalbevollmächtigter der Kplus Gruppe.
Hintergrund: Die bis Jahresende bei der Kplus Gruppe an der Solinger St. Lukas-Klinik ansässige Geriatrie sollte ursprünglich zum Kplus-Krankenhaus in Haan und nach Wegfall der neurologischen Abteilung nach Hilden umsiedeln. Die Kommunale Gesundheitskonferenz, der unter anderem Solinger Ärzte angehören, betonte in ihrer Stellungnahme zur aktuellen Regionalplanung der Krankenhauslandschaft jedoch, dass es auch eine geriatrische Versorgung in Solingen geben müsse. Die bisherige Regionalplanung sehe allerdings vor, dass die geriatrische Versorgung allein bei Kplus angesiedelt ist, bemängelten die Mitglieder der Gesundheitskonferenz. Das würde das Aus für die geriatrische Abteilung am Städtischen Klinikum bedeuten.
Die Gesundheitskonferenz hatte daher die Entscheidungsträger darum gebeten, diese Pläne zu revidieren „und die Geriatrie zumindest im bisherigen Umfang am Klinikum bestehen zu lassen.“ Offenbar hat man sich in Düsseldorf nun der Solinger Sichtweise angeschlossen und wünscht, dass die Geriatrie vollständig in der Klingenstadt bleiben soll. Damit verliert Kplus nach der Neurologie, die vollständig ans Städtische Klinikum Solingen wechselt, nun offenbar eine weitere lukrative Abteilung.
Betroffen von den Schließungen der Krankenhäuser in Hilden und Haan sind nun mehr als 1500 Mitarbeiter – darunter 150 Auszubildende in der Pflege. Es gehe aber auch um 20.000 stationäre und 32.000 ambulante Patienten, die bislang jährlich in den drei Kplus-Krankenhäusern behandelt wurden, heißt es von Kplus: „Wie die verbleibenden Krankenhäuser das auffangen wollen, ist mir schleierhaft“, sagt Siekkötter. „Klar, rechnen sich das alle erst einmal schön und freuen sich, wenn sie ihre Betten nach Corona wieder füllen können. Man muss aber auch ehrlich sein: 20.000 Patienten von heute auf morgen mehr zu behandeln, dafür sind die Einrichtungen allein räumlich nicht ausgelegt.“
Die Lage der verbleibenden Häuser ziehe lange Anfahrtswege für den Rettungsdienst und die Patienten nach sich. „Allein 20.000 Rettungswagen-Fahrten hatten pro Jahr eine der drei Kliniken in Ohligs, Haan und Hilden zum Ziel“, heißt es von Kplus. All das sei dem Ministerium während der Gespräche aufgezeigt worden. Stefan Denkhaus: „Ich verstehe nicht, dass von Seiten der Politik zumindest billigend in Kauf genommen wird, dass mehr als 50.000 Patienten jetzt von den umliegenden Krankenhäusern versorgt werden sollen, worauf sie baulich und personell nicht vorbereitet sind. Ich hoffe wirklich, dass das funktionieren wird.“
Von den aktuellen Entwicklungen überrascht zeigt sich Prof. Dr. Martin Eversmeyer, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Solingen. „Ich bin auch ein bisschen entsetzt, wie die Krankenhausversorgung in Gefahr gerät“, sagt er. Um auf die neue Situation zu reagieren und sich zu beraten, hätten sich die Betreiber der verbliebenen Krankenhäuser in der Region und damit auch Solingen in der kommenden Woche zu einem Gespräch im Evangelischen Krankenhaus (EVK) Mettmann verabredet.
Denn das Städtische Klinikum allein kann die zu erwartende zusätzliche Nachfrage nicht bewältigen. „Wir haben ab Januar 100 zusätzliche Betten am Start“, sagt Eversmeyer – davon 60 in Neurologie und Stroke Unit. Die 40 übrigen Betten seien „mit Sicherheit nicht ausreichend“, um die Patienten aufzunehmen. „Aber wir können so schnell keine weiteren Kapazitäten in neuen Abteilungen aufbauen. 100 Betten sind schon ein ganz schöner Kraftakt.“
Daher erfolgen jetzt Absprachen mit anderen Krankenhäusern: „Uns ist der Ernst der Lage klar“, betont Eversmeyer. Deshalb werde auch noch einmal das Gespräch mit dem NRW-Gesundheitsministerium gesucht. Laut Eversmeyer sind die Entwicklungen jetzt „ein einmaliger Vorgang, den es meines Wissens in Deutschland so noch nicht gegeben hat.“
Als „absolute Katastrophe“ bezeichnete Thomas Hendele die Entscheidung, dass Kplus nach Solingen auch die Krankenhaus-Standorte in Hilden und Haan schließen wolle. Der Landrat des Kreises Mettmann sehe die medizinische Versorgung im Südkreis ohne die drei Kliniken nicht mehr gesichert. Der Kreis organisiert den Rettungsdienst – und Hendele erklärt, dass er nicht möchte, „dass unsere Rettungswagen auf der Straße stehen und überlegen müssen, welches Krankenhaus den Patienten noch aufnehmen kann“. Ihm fehle jede Fantasie, wie die 11.000 Notfallpatienten in den verbliebenen Krankenhäusern des Kreises oder den Nachbarstädten unterkommen sollen.
Für ihn sei es „völlig unverständlich“, wie eine Geriatrie mit 300 Plätzen ausschlaggebend für so eine Entscheidung sein könne. Am Vorgehen von Kplus kritisiert er, dass es keine Absprache gegeben hätte: „Wie kann man seine Unterstützer so vor den Kopf stoßen?“, fragt er. Durch das Vorpreschen von Kplus sei die Politik vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Hendele stellt sich auch die Frage, wie die Belegschaft mit dieser Nachricht jetzt umgeht. Wird es viele Kündigungen geben? „Wir müssen mit dem Ministerium reden, wie es jetzt weitergeht“, sagt er.
Als möglicher Investor der Kplus-Krankenhäuser in Hilden und Haan war zuletzt der Gesundheitsverbund der Alexianer im Gespräch. Seine ursprüngliche Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion, die Alexianer seien nach der Entscheidung als mögliche Investoren nun „nicht mehr Bestandteil des Verfahrens“, hat der Sprecher der Münsteraner Unternehmensgruppe zwischenzeitlich zurückgenommen. Denn: „Die Alexianer sind durchaus bei den nicht insolventen Einrichtungen noch im Verfahren“, heißt es von Kplus.
Der Sachwalter des Insolvenzverfahrens, Dr. Jens Schmidt, will hingegen kein weiteres Statement abgeben. Die Pressemitteilung der Kplus-Gruppe sei mit ihm abgestimmt, heißt es. Mehr sei dem nicht hinzuzufügen.