Klingenmuseum Solingen und Slatoust verbindet gemeinsame Klingengeschichte

Solingen · Vor mehr als 200 Jahren wanderten Solinger Klingenhandwerker in die russische Stadt Slatoust aus und bauten dort eine Klingenindustrie auf.

 Ralf Rogge (Leiter Stadtarchiv) und Dr. Isabell Immel Leiterin Klingenmuseum) zeigten zwei besonders schöne Exponate.

Ralf Rogge (Leiter Stadtarchiv) und Dr. Isabell Immel Leiterin Klingenmuseum) zeigten zwei besonders schöne Exponate.

Foto: Vetter, Uwe (uwv)

Fachkräfte waren schon um 1814 gefragt. Vor allen Solinger, die sich darauf verstanden, Klingen, Messer oder Scheren herzustellen. Ob in die USA, Brasilien oder gar ins russische Slatoust – die Auswanderung Solinger Klingenhandwerker kannte keine Grenzen. „Nach Slatoust wanderten 1814 etwa 35 Handwerker mit ihren Familienangehörigen aus und nahmen zum Teil auch ihre Gesellen mit“, sagt Ralf Rogge, Leiter des Stadtarchivs, mit Blick auf gut 150 Auswanderer. Weitere folgten später in die gut 4000 Kilometer entfernte Stadt, die heute ähnlich viele Einwohner zählt wie Solingen. Die angebotenen acht bis 15-jährigen Verträge für die Solinger Fachkräfte seien lukrativ gewesen und ließen auch die gut halbjährige beschwerliche Reise dorthin in Kauf nehmen. „Schwertschmiede, Scheren- und Messerhersteller, aber auch Schleifer und Reider wanderten dorthin aus und sorgtren für einen Know-how-Transfer, überdies Spezialisten wie Vergolder, Ätzer und Graveure“, so Ralf Rogge.

Aufgebaut wurde im russischen Slatoust von den Auswanderern aus Solingen eine Klingen- sowie Messer- und Scherenmanufaktur. Eisen und Holz waren dort vorhanden, ebenfalls Wasser zum Antrieb. Erinnerungen an die einstigen Auswanderer und die damit verbundenen Klingenfertigungen lebten jetzt wieder auf, als sich in der nahe Slatoust gelegenen russischen Großstadt Tscheljabinsk im Ural eine Ausstellung im Regionalmuseum mit 200 Jahre Klingenhandwerk in Slatoust beschäftigte.

Neben Ralf Rogge waren Dr. Isabell Immel und Dr. Sixt Wetzler vom Deutschen Klingenmuseum der Einladung des russischen Museums gefolgt, sich die Ausstellung anzuschauen – und ein umfangreiches Besuchsprogramm zu absolvieren. „Im Spätherbst 2017 hatte der Direktor des Landesmuseums mit uns Kontakt aufgenommen. Er war interessiert an Klingen aus dem 19. Jahrhundert“, erklärt Isabel Immel. Die Leiterin des Gräfrather Museums musste wie ihre beiden Begleiter nicht lange überlegen, um die Einladung anzunehmen.

Blankwaffen aus der Umgebung von Tscheljabinsk wurden in der Ausstellung im dortigen Landesmuseum unter anderem präsentiert. „Wir hatten ein straffes Besuchsprogramm“, erzählt Immel. Beeindruckend war mit 200 auch die hohe Zahl der Mitarbeiter des russischen Museums. Ziel ist es nach dem Besuch der Solinger Delegation, „den Kontakt zu pflegen und zu schauen, wie wir weiter forschen können“, so Immel. Um die gemeinsame Geschichte der Klingenindustrie von Solingen und Slatoust zu ergründen, braucht es russische Sprachkenntnisse. „Das stellt eine erhebliche Barriere dar“, sagt Rogge, „das geht nicht über einen Dolmetscher“.

Immerhin soll im Jahr 2020 ein Austausch von Exponaten der Museen stattfinden. „Exponate des Klingenmuseums gehen dann leihweise nach Slatoust, wir stellen Stücke aus Slatoust aus“, kündigt Isabell Immel an.

Es war jetzt übrigens nicht die erste Kontaktaufnahme aus Slatoust zur Klingenstadt. Stadtarchivar Ralf Rogge weiß von einem Besuch des Bürgermeisters von Slatoust vor fünf Jahren in Solingen, der auch die MesserMacherMesse besuchte. In Slatoust werden heute immer noch Schneidwaren hergestellt, aber „eher für den Geschenkartikelbereich als für den täglichen Gebrauch“, so Rogge.

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