Gotteshäuser: St. Reinoldi-Kapelle in Rupelrath Falsche Heilige – akustische Täuschungen

Solingen · Tief im Südwesten der Stadt liegt die erstmals 1487 erwähnte St. Reinoldi-Kapelle. Sie beherbergt die älteste Orgel in der Region.

 Namensgeber der Kapelle war ein falscher Heiliger. Reinoldi wurde nie offiziell heilig gesprochen.

Namensgeber der Kapelle war ein falscher Heiliger. Reinoldi wurde nie offiziell heilig gesprochen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Manche Gemeinden hatten es gut getroffen. Mit vollen Kassen konnte man eine Kirche aus einem Guss bauen lassen. Und man gab ihr einen Namen, der direkt klar ist: Lutherkirche zum Beispiel. Andere Gemeinden hatten es wegen chronischer Finanznot schwerer. Da musste das Kapellchen mehrfach erweitert werden. Dann bekommt man ein ausgedientes Gestühl von hier, mal eine gebrauchte Orgel von da. Dann hat das Ganze noch einen Namen, mit dem man auf Anhieb nicht so recht etwas anzufangen weiß: St. Reinoldi. Der ist auch noch ein falscher Heiliger. Oder wie es Gerd Weiland ausdrückt: „ein Volksheiliger“. Zudem ein Lokalheiliger: „Reinoldi, der im hiesigen Raum außer in Köln und Dortmund nur hier in Rupelrath eine Verehrungsstätte hatte, ist geschichtlich nicht verbürgt und wurde auch nie offiziell heilig gesprochen.“

Die Anfänge der St. Reinoldi-Kapelle gehen auf das 11. Jahrhundert zurück, als die Reinoldsreliquie von Köln nach Dortmund gebracht wurde – und man auf dem Weg vermutlich Station in Rupelrath machte. Reinold wurde als Pestheiliger verehrt. Aber seine Person verliert sich im Reich der Legenden, von denen es drei gibt. Nach einer war er ein Neffe des Sachsenherzogs Widukind, der 775 in der Schlacht bei Hohensyburg Karl dem Großen unterlag. So stand Reinold als Ritter ständig mit dem späteren Kaiser Karl auf Kriegsfuß – inklusive zahlloser Heldentaten. Vom wilden Ritterleben müde, ging er dann ins Kloster. Hohensyburg liegt bei Dortmund, einem Hauptort des alten Sachsenlandes. „Die Schmach der Unterwerfung und die anschließende Zwangschristianisierung der Sachsen wird die Sehnsucht nach alter Unabhängigkeit besonders gestärkt haben und bildete wahrscheinlich den Nährboden für die Sage und eine frühe Reinoldiverehrung.“ Oder anders gesagt: Bei den zwangsgetauften Sachsen kam Odinsanbeter Reinold in Verkleidung eines christlichen Heiligen durch die Hintertür wieder herein.

 Der Altar der Kapelle St. Reinoldi.

Der Altar der Kapelle St. Reinoldi.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Seit vielen Jahren beschäftigt sich Gerd Weiland, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiern kann, mit der Geschichte der Rupelrather Kirche und Gemeinde, wo er auch als Presbyter die Geschicke mitlenkte. Von ihm stammt auch eine umfangreiche Dokumentation über die Kapelle. „Seit über 40 Jahren betreibe ich Familien- und Heimatkunde.“ Dazu kam es auf seltsame, wenn nicht – um bei Reinold zu bleiben – auf wundersame Art. 1973 stand Gerd Weiland vor einem krassen Berufswechsel: Aus dem Rupelrather Landwirt wurde Beamter der Bundesbank. „Es war am 1. August und die Ernte musste noch schnell reingebracht werden.“ Beim Sprung vom Mähdrescher knackte der Knöchel und Weiland landete auf dem Krankenlager. Dem Ehemann und Vater von drei Töchtern behagte die Untätigkeit gar nicht. „Da kam mein Stiefvater mit einer Schublade voller alter Unterlagen und meinte, damit solle ich mich mal beschäftigen.“ Weiland fing Feuer. Etwa über die verzwickte Frage der Grundstücke in Rupelrath. „Haben Sie gewusst, dass vor 1900 eine Grundstücksübergabe ohne Grundbucheintrag möglich war? Da genügte ein Erbschein.“

 Blick auf das Taufbecken, im Hintergrund der Altar.

Blick auf das Taufbecken, im Hintergrund der Altar.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Zum Erbe der Rupelrather Kapelle gehört Reinold. Erstmals schriftlich erwähnt wurde sie 1487. In den folgenden Jahrzehnten erfolgten der Bau und die Ausmalung von Chor und Apsis, einem wichtigen Teil in antiker Basilikaform gebauter Kirchen. Gerade diese Bilder sind spannend zu sehen. Sie wurden nach der Reformation und dem Evangelischwerden der Rupelrather mehrfach übertüncht – der bekannte Bildersturm. Bei der Beseitigung von Kriegsschäden stolperte man in den 50er Jahren über diese Fresken und legte sie frei.

Als weitere Besonderheit kann die Kapelle mit der ältesten Orgel der Region aufwarten, die noch im Originalzustand erhalten ist. 1844 wurde sie eingebaut – und sie war ein gebrauchtes und deshalb noch älteres Instrument. „Ursprünglich wollte man die Orgel auf der Empore aufbauen“, berichtet Gerd Weiland. Das hätte die Gemeinde Platz gekostet. Nun thront die Orgel hoch über Altarraum und Kanzel unter dem Dach, und der Organist sitzt in luftiger Höhe wie in einem Krähennest. Die Orgel mit ihren acht klingenden Registern hat auch noch in sich eine Besonderheit: eine akustische Täuschung. Da zu wenig Platz für große Basspfeifen war, hat man einen „Quintbass“ gebaut: Er „simuliert“ die Obertöne eines nicht vorhandenen, tiefen Tons. Das so ausgetrickste Gehör ergänzt diesen automatisch. Der „heilige“ Reinold wäre bestimmt stolz auf diese Erfindung.

Infos gibt es im Internet inklusive der Dokumentation von Gerd Weiland über die Kapelle: www.rupelrath.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort