Familientragödie in Solingen Behörden sahen keine Hinweise auf Gefährdung

Solingen · Nach dem Tod von fünf Kindern in der Hasseldelle gehen die Ermittlungen weiter. Die Stadt hatte laut Staatsanwalt keine Hinweise auf die Tragödie. Das überlebende Kind wird betreut. Die tatverdächtige Mutter ist nicht vernehmungsfähig.

 Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt ist für die Ermittllungen in dem Fall der fünf getöteten Kinder zuständig.

Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt ist für die Ermittllungen in dem Fall der fünf getöteten Kinder zuständig.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Das Jugendamt der Stadt Solingen stand im vergangenen Jahr gleich mehrmals in Kontakt zu der Familie der mutmaßlich von ihrer eigenen Mutter getöteten Kinder – wobei sich während der insgesamt zwei Hausbesuche bei der Familie in der Hasseldelle im Sommer sowie im Dezember 2019 nach Angaben der Behörden keinerlei Anzeichen für Auffälligkeiten im Umgang mit den Mädchen und Jungen im Alter zwischen einem und acht Jahren ergeben haben. Das hat die zuständige Staatsanwaltschaft Wuppertal am Montag auf eine Anfrage hin bestätigt.

„Bei den Besuchen haben sich laut der Stadt keine Auffälligkeiten auf die Wohnsituation oder den Umgang mit den Kindern gezeigt“, sagte der für Kapitaldelikte zuständige Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt. Vielmehr, so der Staatsanwalt, sei es seinerzeit um einen möglichen Förderbedarf bei einem der Kinder gegangen. Doch habe sich beim letzten Besuch schließlich ergeben, dass dazu mittlerweile kein Grund mehr bestanden habe.

 Die Trauer um fünf tote Kinder ist weiter riesig. Viele Solingen haben Kerzen und Stofftiere im Gedenken an die Geschwister aufgestellt.

Die Trauer um fünf tote Kinder ist weiter riesig. Viele Solingen haben Kerzen und Stofftiere im Gedenken an die Geschwister aufgestellt.

Foto: Gianni Gattus

Die 27-jährige Mutter der Kinder, die dringend tatverdächtig ist, konnte derweil noch immer nicht von den Ermittlern vernommen werden. Nach der Tötung der Jungen und Mädchen hatte die Frau am Donnerstagmittag versucht, sich am Düsseldorfer Hauptbahnhof das Leben zu nehmen und war später in ein Krankenhaus gekommen. „Sie befindet sich nach wie vor in der Obhut der Justizvollzugs-Behörden“, berichtete Staatsanwalt Kaune-Gebhardt.

Zwar bestehe keine Lebensgefahr. Indes seien die Verletzungen, die sich die Frau beim Sprung vor eine S-Bahn zugezogen hat, so schwerwiegend, dass einstweilen offen bleiben müsse, zu welchem Zeitpunkt die Mutter, gegen die Haftbefehl erlassen wurde, erstmals zu den gegen sie im Raum stehenden Vorwürfen befragt werden könne, so der Staatsanwalt. Als Motiv für die Tat werden Beziehungsprobleme angenommen, nachdem sich der Ehemann und Vater von vier der Kinder vor rund einem Jahr von der Mutter getrennt hatte.

Ebenfalls noch einige Zeit in Anspruch nehmen dürften auch die kriminaltechnischen Untersuchungen der Polizei. So wurde die Beweisaufnahme am Tatort an der Hasselstraße inzwischen weitgehend abgeschlossen. Erste Erkenntnisse der Mordkommission „Hassel“ deuten darauf hin, dass die Opfer zunächst betäubt und danach erstickt wurden.

Allerdings stehen die Ergebnisse von zusätzlich in Auftrag gegebenen toxikologischen Gutachten weiterhin aus. Diese werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft frühestens in der nächsten Woche vorliegen. Die Gutachten sollen Aufschluss darüber geben, wie genau die fünf Kinder ums Leben gekommen sind.

Die Stadt Solingen wollte sich am Montag unter Verweis auf „rechtliche Gründe“ nicht detaillierter zu den Kontakten des Jugendamtes zur Familie äußern. Bereits am Freitag hatte die Verwaltung mitgeteilt, der Familie seien in der Vergangenheit Hilfsangebote unterbreitet worden. Erkenntnisse zu Auffälligkeiten oder einer potentiellen Gefährdung der Kinder habe es aber zu keinem Zeitpunkt gegeben.

Darüber hinaus gab eine Rathaus-Sprecherin jetzt bekannt, die Jugendämter in Solingen und in Mönchengladbach stünden in einem engen Austausch über das einzige überlebende Kind der Familie, einen elfjährigen Jungen. Der Schüler war am Tattag nach der Tötung der Geschwister von der Mutter aus der Schule geholt worden und anschließend mit nach Düsseldorf gefahren. Von dort aus war der Sohn dann weiter zur Großmutter nach Mönchengladbach gelangt, wo sich der Jungen zurzeit auch noch aufhält.

Die Mitschüler des Elfjährigen bekamen unterdessen am Montag erste Hilfen zur Verarbeitung der Geschehnisse angeboten. „Wir haben in die Schulen, die von Kindern der betroffenen Familie besucht wurden, Psychologen und Seelsorger geschickt“, sagte die Stadtsprecherin auf Nachfrage.

Einen besonderen Schutz der Kinder vor Nachstellungen überregionaler Medienvertreter wird es hingegen nicht geben. Allerdings legte die Stadt Solingen am Montagabend eine Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Der Grund: Am Wochenende hatten sich etliche Bürger darüber beschwert, dass einige Journalisten von Boulevardmedien die Privatsphäre der Opfer sowie von Nachbarn in der Hasseldelle verletzt hätten.

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