Solingen Kinder im Blick behalten
Solingen · Wie konnte das passieren? Das fragen sich nicht nur Lehrer nach dem Amoklauf eines 18-jährigen Schülers in Emsdetten. Pädagogen sind besorgt, weil Kinder bei Computerspielen in eine Welt mit roher Gewalt abtauchen.
Nachdenklichkeit nach dem Amoklauf eines 18-jährigen Schülers in seiner ehemaligen Realschule in Emsdetten: „Das ist offenbar ein sehr unglücklicher und verzweifelter Mensch gewesen“, sagt Klaus Bailly. Der Leiter des Gymnasiums Vogelsang verschließt vor dem gesellschaftlichen Problem die Augen nicht. „Solche Exzesse lassen sich nicht zu 100 Prozent verhindern.“ Was kann Schule tun? „Wir Lehrer müssen alles daran setzen, um zu vermeiden, dass Schüler gedemütigt und in ihrer Würde verletzt werden. Es ist wichtig, dass der Lehrer seine Schüler im Auge hat.“
Bailly ist Vater von vier Kindern. „Glückliche Kinder laufen nicht amok“, ist er überzeugt. Der Schulleiter weiß, dass zur Erziehung aber immer auch ein Quäntchen Glück gehört. Die Entwicklung eines Kindes lasse sich nicht genau lenken. Selbst bei den besten, aufopferndsten Eltern, könne etwas aus dem Ruder laufen.
Für Bailly ist die heutige Schülergeneration jedenfalls prinzipiell nicht schlechter oder gewalttätiger als früher. Er persönlich bemerke keine Verschlimmerung. Jugendliche Aggressivität äußere sich heute aber in anderen Formen. Das ist das Problem. Als Beispiel nennt er Gewaltcomputer-Spiele, bei denen die Spieler in der virtuellen Welt mit der Waffe sogar auf Menschen zielen und abdrücken können.
Joachim Blümer leitet die Theodor-Heuss-Realschule. Seine Kinder gehen selbst noch zur Schule. Nachdenklichkeit auch bei ihm nach dem Amoklauf in Emsdetten: „Wie ist so etwas möglich?“, eine Frage, die er sich stellt und die bei ihm weitere Fragen aufwirft: Wie kann es sein, dass die Eltern nicht wissen, dass ihr Kind Waffen besitzt, dass es eine Homepage betreibt, auf der es mit Waffen zu sehen ist, dass ihr Kind Kleidung trägt, die zum Untergrundkampf im Dschungel geeignet ist? Wie kann es an Eltern vorbeigehen, dass das Kind vor Computerspielen sitzt, bei denen der Spieler vor dem Monitor zum Mörder wird? Für Blümer ist es unvorstellbar, dass ein Kind seit Jahren in einer Welt lebt, von der Eltern überhaupt nichts mitbekommen.
Hier sieht der Lehrer einen entscheidenden gesellschaftlichen Unterschied zur Vergangenheit. Früher haben Eltern darauf geachtet, mit wem das Kind am Nachmittag zusammen ist. Heute haben Computer und Internet in den Kinderzimmern Einzug gehalten. Mitunter merken die Eltern dann nicht mehr, in welcher Welt sich ihr Kind überhaupt bewegt. Nach Blümers Worten können Mütter und Väter das nur mitbekommen, wenn sie aktiv werden und nachschauen, was auf der Festplatte des Computers passiert.
Ute Intveen von der Schulleitung der Hauptschule Höhscheid ist überzeugt, dass das Internet heutzutage einen erheblichen Einfluss hat. Schwierigkeit sei, dass es nicht immer auf Anhieb zu erkennen ist, was sich Jugendliche am Computer anschauen. Die Lehrerin fordert eine schärfere Eingangskontrolle bei den Dingen, die ins weltweite Datennetz gestellt werden.
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