Solingen Keine Eile auf der Brücke

Solingen · Sonder-Arbeitstrupps auf der Müngstener Brücke sucht man vergeblich. Es wirkt, als ob es nur langsam vorangeht. Die Bahn begründet dies mit dem speziellen Bauwerk: Es könne nicht wie am Fließband gearbeitet werden.

Müngstener Brücke - eine Chronologie
19 Bilder

Müngstener Brücke - eine Chronologie

19 Bilder
Foto: Martin Kempner (Archiv)

Von Autobahnen kennen wir das. Wenn dort überraschend etwas instand gesetzt werden muss, geschieht dies zuweilen mit Hochdruck. Bautrupps mit reichlich Personal arbeiten in fliegender Eile sogar nachts unter Scheinwerferlicht, damit am nächsten Morgen im Berufsverkehr die dringend benötigten Fahrspuren wieder passierbar sind.

Wer dieses Großaufgebot an Arbeitern, Material und Maschinen jetzt freilich auch von der Bahn bei der Müngstener Brücke erwartet, wird eines Besseren belehrt. Es geht, um es gelinde zu sagen, ziemlich beschaulich und ruhig zu auf der Baustelle von Deutschlands höchster und schönster Eisenbahnbrücke.

Vogelgezwitscher und Kinder

Einsam klebt noch immer das kleine Gerüst am Brückengeländer über dem hohen Bogen. Statt Hammerschlägen schallt gestern Vormittag unter der Brücke nur Vogelgezwitscher durchs enge Tal der Wupper — und die Stimmen der Kinder im Brückenpark während ihrer Fahrt mit der Schwebefähre.

Zwei Männer in rot-orangefarbenen Warnwesten, ausgestattet mit Vermessungsgeräten, sind aber dennoch am Bahnsteig 2 des Schaberger Bahnhofs tätig. Beim Blick über die Gleise sind zwei Bahnarbeiter auf der Brücke zu sehen.

Erwartungen, dass angesichts der Pannenserie und der noch für weitere Wochen gesperrten Müngstener Brücke (wir berichteten) jetzt von der Bahn Sonder-Einsatztrupps aufgeboten werden, bremst Unternehmenssprecher Udo Kampschulte: Dies sei doch ein ganz spezielles Bauwerk. Es könne nicht wie am Fließband gearbeitet werden. Sicherheitsbestimmungen müssten eingehalten werden, begründet er das Schneckentempo. Diesen Eindruck bekommen Beobachter jedenfalls von der Baustelle.

Der Bahnsprecher sieht dies freilich anders: Auf der Brücke gebe es beispielsweise spezielle Luken, nur durch diese dürfe in die Verstrebungen geklettert werden. Schwindelfrei müssten die Arbeiter nach seinen Worten sowieso sein. Zudem seien die Ersatzteile aufwendige Einzelanfertigungen. Dies dauere. Zum Zeitplan der Arbeiten zur Verstärkung der Brücke sagt Kampschulte: Derzeit werden die zusätzlichen Schraubverbindungen im Bereich der Gleise auf der Brücke angebracht.

Anschließend müssen über Wochen noch "Windverbände" an neun Sektionen der Brücke eingebaut werden. Das sind Querverstrebungen in der Konstruktion, um den Winddruck aufzunehmen. Der Bahnsprecher will sich auf Anfrage nicht festlegen, wann die Arbeiten genau abgeschlossen sein sollen.

Er hält es aber für "realistisch", dass die Brücke in diesem Sommer wieder vom Müngstener befahren wird. All dies dürfte gewiss in der nächsten Woche Thema bei Bahn-Verantwortlichen sein. Krisensitzung will Kampschulte die Gesprächsrunde in Duisburg jedoch nicht nennen, sondern "Task Force". Die Schwerpunktarbeitsgruppe Müngstener Brücke tage unregelmäßig; bis zu 15 Personen würden daran teilnehmen.

Bahnpendler finden es grausam

Die vier Bahnpendler Caroline Holz, Horst Koßmann, Anita Zirbel und Markus Gantenberg sehen unterdessen dem Tag, an dem sie endlich wieder mit dem Müngstener über die 107 Meter hohe Stahlkonstruktion fahren können, mit Spannung entgegen. "Das ist doch grausam", sagen sie über die neuerlichen Verzögerungen, als sie gestern aus dem Schienenersatzbus am Bahnhof Mitte aussteigen. Zwischen Remscheid und Solingen gibt es für sie dazu aber keine Alternative: "Wir sind darauf angewiesen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort