Serie 33 Dinge, Die Man In Solingen Erlebt Haben Sollte (33) Kartoffeln kaufen beim Retter der Linda

Solingen · Mit Herbert Ferres bedient auf dem Wochenmarkt nicht nur der Chef die Kunden, sondern ein Theologe und Feingeist.

Herbert Ferres hat Theologie, Germanistik und Philosophie studiert, er liebt klassische Musik und anspruchsvolle Literatur — und er verkauft auf dem Markt Kartoffeln. Das ist für den 49-Jährigen, der nächste Wochen seinen 50. Geburtstag feiert, kein Widerspruch.

Im Laufe seines Studiums in Bonn und Tübingen wurde Herbert Ferres klar, dass er nicht im Elfenbeinturm der Geisteswissenschaften sein Leben verbringen wollte. "Ich wohnte in Tübingen 50 Meter entfernt von Walter Jens, im Keller bei einer Flötenlehrerin und war auf dem besten weg, den Bezug zum Leben zu verlieren", erinnert sich Herbert Ferres. Man konnte damals fünf Jahre studieren, ohne mit einem einzigen Menschen in Kontakt zu kommen", erinnert sich der Bruder von Schauspielerin Veronica Ferres.

Aus diesen "abstrakten gedanklichen Höhenflügen" führte ihn sein Weg direkt auf den Wochenmarkt. Denn nach Abschluss des Studiums — Herbert Ferres ist Volltheologe — überlegten seine Eltern, den alteingesessen Kartoffelhandel zu verkaufen. Den beruflichen Wechsel, so sagt er, habe er als Aufstieg empfunden. Eine Aussage, die ihm die Kunden glauben, denn Herbert Ferres ist mit dem Herzen dabei, wenn er dienstags und samstags auf dem Ohligser Wochenmarkt und manchmal auch mittwochs und freitags in Wald die Käufer bedient.

"Ich habe meinen Platz im Leben gefunden", sagt Herbert Ferres, der weit mehr als nur ein Kartoffelhändler und stets freundlicher Marktverkäufer ist. Wie es auch bei Ferres auf den Märkten inzwischen längst nicht nur Kartoffeln gibt. Meine Eltern und Großeltern haben sich jahrzehntelang nur auf Kartoffeln und Brennstoffe beschränkt, das wäre heute nicht mehr möglich", sagt Herbert Ferres. So gibt es auf den Wochenmärkten ein breites Angebot an saisonalem Obst und Gemüse — und natürlich fünf Sorten Kartoffeln. Eine davon wäre beinahe vom Markt verschwunden, die Sorte Linda, für die sich Herbert Ferres 2010 im "Freundeskreis Linda" starkmachte und die bis heute seine liebste Sorte ist. Seit 1974 war die "Königin der deutschen Kartoffeln" auf dem Markt und wurde 2004 von der Bundessortenliste genommen, um Neuzüchtungen auf den Markt zu bringen, die sich vor allem für den Vertrieb in Supermärkten eignen. Der Protest der Verbraucher und der Prominenten von Alfred Biolek bis Ulrich Wickert, die sich mit Herbert Ferres bei "Rettet Linda" für die leckere Kartoffelsorte starkmachten, führte dazu, dass die begehrte Kartoffelsorte schließlich in Großbritannien eine neue Zulassung bekam und nun innerhalb der EU wieder verkauft werden durfte.

Für Hobbykoch Herbert Ferres ist die Linda ein Multitalent, das sich für edle Speisen ebenso eignet wie für deftige Hausmannskost. Auch für Kunden, die keine Kochkünstler sind oder keine Zeit haben, hat der 49-Jährige einen Tipp: Pellkartoffeln, da bleiben die wertvollen Stoffe der Kartoffel ohnehin am besten erhalten.

Manchmal erhält Herbert Ferres auf den Markt Unterstützung von seiner prominenten Schwester Veronica. Doch für seine Kunden ist er längst nicht nur der "Bruder Ferres", wie ihn einmal eine Zeitung despektierlich nannte.

(RP)
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