Synagoge vor 150 Jahren eingeweiht Mahnendes Gedenken an jüdisches Leben in Solingen

Solingen · Mit Appellen zum Einsatz für Toleranz und gegen Hass und Antisemitismus ist an die Eröffnung der Solinger Synagoge vor 150 Jahren erinnert worden. Zentralrats-Vizepräsident Lehrer mahnte, nie zu vergessen.

 Leonid Goldberg (v.l.), Michael Bauer-Brandes, Tim Kurzbach, Sylvia Löhrmann, Abraham Lehrer und Chaim Kornblum. 
  Foto: Christian Beier

Leonid Goldberg (v.l.), Michael Bauer-Brandes, Tim Kurzbach, Sylvia Löhrmann, Abraham Lehrer und Chaim Kornblum. Foto: Christian Beier

Foto: Christian Beier

(epd) Feierliche Würdigung jüdischen Lebens und Mahnung gegen Hass und Hetze: Mit einer Lichtinszenierung und einem Festakt ist am Samstagabend in Solingen an die Eröffnung der Synagoge vor 150 Jahren erinnert worden. „150 Jahre jüdische Geschichte in Solingen stehen für hoffnungsvollen Aufbruch, für tiefste Abgründe der Menschheitsgeschichte ebenso wie für einen zaghaften Neubeginn jüdischen Lebens nach der Schoa“, sagte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer. „Sie stehen aber auch symbolisch für eine heutige, selbstbewusste jüdische Gemeinschaft in ganz Deutschland, die allen Stürmen zum Trotz wieder blüht und gedeiht.“

Die Solinger Synagoge war am 8. März 1872 eingeweiht worden. In der NS-Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde sie geplündert und niedergebrannt. Anschließend ließ die Stadt die Ruine des neoromanischen Kuppelbaus auf Kosten der jüdischen Gemeinde abreißen und auf dem Grundstück einen Hochbunker errichten. An diesem Bunker wurde mit einer festlichen Lichtinstallation eine große Fensterrose aus Cortenstahl eingeweiht. Das von dem Solinger Stahlkünstler Michael Bauer-Brandes entworfene Kunstwerk greift die Gestalt der Original-Fensterrose der Synagoge auf und zeigt sechs Davidsterne.

Jüdisches Leben mit all seiner Lebenslust, Kreativität und Vielfalt finde „erfreulicherweise wieder hier in Deutschland mitten unter uns statt“, sagte Lehrer beim Festakt vor geladenen Gästen. Es gehöre „in die Mitte der Gesellschaft: sichtbar, erlebbar, respektiert“. Er rief dazu auf, die Vielfalt und den Reichtum jüdischer Philosophie, Ethik, Religion, Kunst und Kultur zu erkunden. An Schülerinnen und Schüler appellierte er: „Bleibt neugierig! Bleibt wachsam und kritisch! Vergesst nicht!“

Besorgt äußerte sich der Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln über wachsenden Antisemitismus in Europa. „Die Namen Kassel, Halle und Hanau sind der traurige Beweis, dass die Bekämpfung von Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus auch künftig ganz oben auf der Agenda stehen muss“, mahnte der Zentralrats-Vizepräsident. Der Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, Chaim Kornblum, beklagte ebenfalls, der Hass auf Jüdinnen und Juden sei mehr denn je präsent: „Die hässliche Fratze zeigt sich in den verschiedensten Facetten.“ Auch der Krieg in der Ukraine zeige nach Lehrers Worten, „wie leicht entflammbar der anscheinend nie völlig verlöschende Funkenflug des Hasses ist und wie schnell er zum Flächenbrand wird“. Viele Juden in Deutschland hätten Angehörige in der Ukraine, um die sie sich sorgten.

Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) erinnerte daran, dass die Synagoge 60 Jahre lang lebendiger Mittelpunkt der Solinger Gemeinde war, die in ihrer Blütezeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts 324 Mitglieder zählte. Vor der Nazi-Zeit hätten sich die jüdischen Familien in Vereinen, Chören und Parteien engagiert. Heute habe die Kultusgemeinde Wuppertal 2150 Mitglieder aus dem Bergischen Land, darunter etwa 300 aus Solingen.

Kurzbach forderte einen Perspektivwechsel im Umgang mit Jüdinnen und Juden, die seit 1700 Jahren hier lebten: Das Judentum sei „konstitutiv für Deutschland“ und es gelte daher, „die Schönheit und die Zukunft jüdischen Lebens zu feiern“, sagte er. Mit der nun installierten Fensterrose leuchte in Solingen wieder der Davidstern als Signal, dass die Schande der Pogromnacht und das nachfolgende Grauen nicht vergessen werden.

(epd/c-st)
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