Bergische Kunstausstellung Hintergründige Kunst mit Spaßfaktor

Solingen · Ein Porträt von Jonas Hohnke, einer der beiden Kunstpreisträger der 76. Internationalen Bergischen Kunstausstellung im Solinger Kunstmuseum.

 Jonas Hohnke nutzt gerne Alltagsgegenstände. Hier sind es Wasserwaagen. Doch: Ist das Werkzeug gerade, hängen die Bilderrahmen schief.

Jonas Hohnke nutzt gerne Alltagsgegenstände. Hier sind es Wasserwaagen. Doch: Ist das Werkzeug gerade, hängen die Bilderrahmen schief.

Foto: Schneider-Mombaur

Mit seinem „White Cube“ hat Jonas Hohnke nicht nur die Jury der Bergischen Kunstausstellung überzeugt, auch die Besucher lieben seine Arbeit, denn die Installation ist „White Cube“ und Hüpfburg in einem. Das Prinzip des „White Cube“, des weißen Würfels, umschreibt das Ausstellungskonzept, Kunst in neutralen Räumen zu präsentieren. Hohnkes Arbeit besteht entsprechend aus weißen Wänden und einem grauen Boden. Das Material ist luftdichtes Gewebe, das durch ein Radialgebläse aufgeblasen wird: Hohnkes „White Cube“ ist eine Hüpfburg und kann auch als solche genutzt werden.

Als Sonderanfertigung 2019 produziert, begeisterte sie bereits 2020 die Besucher der Großen Düsseldorfer Kunstausstellung und wurde noch im gleichen Jahr von der Sammlung Kunsthaus NRW in Kornelimünster angekauft. „Darauf habe ich eine zweite Hüpfburg anfertigen lassen, etwas anders in den Dimensionen. Doch die Luftburg aus Kornelimünster passte wegen ihres quadratischen Grundrisses so perfekt in den Solinger Museumsraum, dass ich sehr froh bin, dass die Arbeit für die Ausstellung ausgeliehen werden konnte“, erzählt Jonas Hohnke.

Diese Arbeit zeigt anschaulich das Denken und künstlerische Handeln des jungen Wuppertaler Künstlers. Er ist ein genauer Beobachter der Realität, setzt sich mit Alltags- oder institutionellen Raumsituationen auseinander. Seine Werke hinterfragen die Funktion von Gegenständen oder Räumen, deuten diese um und evozieren alternative Sichtweisen auf bekannte Strukturen und Sachverhalte. 

Sein weißer Raum, Symbol des idealen musealen Raums, enthält keine Exponate, sondern wird selbst zum Exponat. Die Hüpfburg wird zur Skulptur. Wird sie bespielt, bewegt sich der Raum im Raum. Bläst sie sich auf, gesteuert durch einen Bewegungsmelder, beobachtet der Besucher gespannt die Bewegung ins Dreidimensionale. Fällt sie wieder in sich zusammen, so ergeben sich neue skulpturale Momente. „Dies alles gehört ganz selbstverständlich zur Funktion einer Hüpfburg“, sagt Hohnke. Die minimalistisch gewählte Form- und Farbreduktion, der ungewöhnlichen Standort und Kontext macht die Hüpfburg als künstlerisches Phänomen erlebbar. „Jonas Hohnke versteht es, mit seinem Werk hintergründig die Aufgabe und das Verhältnis von Präsentation, Wahrnehmung und Rezeption der Kunst zu thematisieren“, so die Direktorin des Kunstmuseums Gisela Elbracht-Iglhaut in der Begründung der Jury zum Kunstpreis.

Der „White Cube“ (Hüpfburg) des Preisträgers der 76. Bergischen Kunstausstellung.  Foto: Feger

Der „White Cube“ (Hüpfburg) des Preisträgers der 76. Bergischen Kunstausstellung. Foto: Feger

Foto: Markus J. Feger

„Meine Arbeiten sind nicht schwer verständlich. Ich glaube, dass meine Ideen für jeden zugänglich sind. Viele Anregungen entstammen meinem persönlichen Alltag,“ sagt der Kunstpreisträger und verweist auf die ebenfalls ausgestellten Bilder mit Wasserwaage. Das Werkzeug, unabdingbarer Begleiter im Ausstellungsbereich, präsentiert er in weißen Bilderrahmen. Das Besondere an Hohnkes Präsentation: Die Wasserwaage ist gerade, wenn der Bilderrahmen schief hängt. Die absurde Verbindung spielt mit Erwartungen und Funktionen an unsere Alltagsroutinen. Die inhaltliche künstlerische Bedeutung liegt sowohl im Objekt selber begründet als auch im Kontext seiner Verwendung. Jonas Hohnke irritiert und lädt banale Alltagsgegenstände semantisch und ästhetisch auf.

Fasst man seinen künstlerischen Arbeitsprozess zusammen, so könnte man von readymade-basierter Arbeit sprechen. Das Readymade, der zumeist industriell hergestellte Gegenstand, wird bei Hohnke zum Ausgangspunkt seiner Arbeit. Ideen und Konzepte fixiert er skizzenhaft. Aus der Fülle der in den letzten Jahren entstandenen und gesammelten Ideen realisiert er Kombinationen von Objekten, Raumskulpturen, subtile Interventionen im öffentlichen Raum, bewegliche Bilder, Installationen, Videoarbeiten. Dabei versteht er sich wie der Architekt, der das Konzept des Hauses entwirft, also das Haus baut, während die Bauarbeiter es herstellen. „Herstellen kann meine Arbeiten fast jeder. Die Kunst besteht in der Idee, ohne die keines meiner Werke möglich wäre,“ erklärt der Künstler.

Die fast zehnjährige intensive Studienzeit an der Kunstakademie Münster führte Hohnke von der Fotographie in die Bildhauerklassen. Er wurde Meisterschüler bei Prof. Guillaume Bijl, studierte ein Jahr bei Prof. Heimo Zobernig in Wien und schloss als Meisterschüler bei Prof. Ayse Erkmen 2015 sein Studium ab. Der gebürtige Wuppertaler lebt in seiner Heimatstadt und arbeitet in einem Atelier in Barmen. Er freut sich über die Anerkennung durch den 76. Internationalen Kunstpreis, den er, gemeinsam mit der Preisträgerin Filiz Özcelik, in der letzten Woche entgegen nehmen durfte. 

Als besondere Überraschung bei der Preisvergabe verkündete Dr. Thomas A. Lange von der National-Bank Essen, dass sich der Sponsor in diesem Jahr für eine besondere Künstlerförderung entschieden hätte. Der ursprünglich geteilte Kunstpreis wurde beiden Preisträgern in voller Höhe verliehen. Jonas Hohnke verrät, dass er das Preisgeld direkt in neue Projekte investieren wird. 

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