Solingen Jedes fünfte Kind lebt in Armut

Solingen · Eine Statistik zeigt, dass in einigen Vierteln mehr als 50 Prozent der unter Siebenjährigen in Hartz IV-Familien leben. Das soziale Gefälle auch bei Kindern wird größer. Die Stadt will 2012 vier neue Familienzentren einrichten.

Mehr als 20 Prozent der Kinder bis sieben Jahre sind in Solingen auf Hartz IV angewiesen. Das geht aus einer städtischen Statistik hervor, die in der kommenden Woche im Jugendhilfeausschuss Thema sein wird. "Die Zahlen wurden erstmals erhoben", sagte gestern ein Sprecher der Stadt.

Demnach gibt es auch bei Kindern ein immer größeres soziales Gefälle. Während in einigen Gegenden wie in Teilen von Aufderhöhe Kinderarmut bei einer Quote von 2,3 Prozent fast gar nicht vorhanden ist, fallen vor allem in Mitte viele Mädchen und Jungen unter die Armutsgrenze. So beträgt ihr Anteil in der südlichen Innenstadt über 50 Prozent. Und auch in der Nordstadt, an der Zietenstraße, in der Hasseldelle sowie in der Fuhr in Wald sind die Zahlen hoch.

Aus diesem Grund sollen vier weitere Kindertagesstätten mit Beginn des neuen Kindergartenjahres im Sommer zu so genannten Familienzentren umgebaut werden. Es ist geplant, dass Kitas an der Augustastraße, an der Blumenstraße, an der Schwertstraße und an der Dorper Straße erweiterte Angebote für Eltern bekommen.

"Der Ansatz ist, Armut schon in frühen Lebensjahren zu bekämpfen", sagte gestern der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Tim Kurzbach (SPD). Er nannte es "einen Skandal", dass es in Solingen Stadtteile gebe, in denen Armut von Kindern lange Zeit nicht wahrgenommen worden sei. Kurzbach: "Dafür braucht man nicht nach Berlin-Neukölln schauen." Ziel müsse es nun sein, in den einzelnen Vierteln Netzwerke zu schaffen, die Familien umfassend zur Seite stehen könnten. So seien auch Moschee- und Kirchengemeinden gefordert, sich am Aufbau solcher Netzwerke zu beteiligen, sagte Kurzbach.

Ein Konzept, das dort, wo es bereits angewandt wird, positive Resultate bringt. "Ein Familienzentrum ist wichtig, da die Eltern dadurch eine Anlaufstelle haben, wenn es um ihre Sorgen geht", sagt Regina Fluck. Sie leitet beim Verein "Wir in der Hasseldelle" die Jugend- und Kinderarbeit und kennt die Probleme vieler Familien genau. Die Hasseldelle mit ihren Hochhäusern aus den 60er Jahren gehört zu den sozial schwächsten Solinger Stadtteilen.

"Vom wirtschaftlichen Aufschwung haben wir hier noch nichts bemerkt", sagt Regina Fluck. Rund die Hälfte der Familien ist von Arbeitslosigkeit betroffen. Und wenn es auch so ist, dass durch die vor einigen Jahren zum Familienzentrum erweiterte Kita Hasseldelle keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden, gibt es dort zumindest Angebote, die die Situation verbessern helfen können.

Unter anderem werden in den Zentren sprachtherapeutische Angebote gemacht. Gleichwohl sieht Ausschussvorsitzender Kurzbach weiteren Handlungsbedarf. So müsse das Land die Familienzentren finanziell besser ausstatten. "13 000 Euro pro Jahr sind zu wenig", so Kurzbach gestern. Und auch die Stadt sieht er in der Pflicht. "Das kommunale Jobcenter ist ebenfalls gefordert, Angebote für Familien vorzuhalten, um Kinderarmut schon im Anfangsstadium zu bekämpfen", sagte Kurzbach.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort