Solingen Jamaika-Aus: Solinger Politik enttäuscht

Solingen · Bundestagsabgeordneter Jürgen Hardt (CDU) hatte bis zuletzt auf einen Erfolg der Jamaika-Sondierungen gesetzt. Zu jedem Punkt sei eine Einigung möglich gewesen.

Ulrich G. Müller ist enttäuscht. "Man hätte sich vielleicht noch mehr Zeit geben müssen", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende im Solinger Stadtrat gestern zu den am Sonntag gescheiterten Sondierungsgesprächen in Berlin. Gleichwohl zeigte der Liberale aber auch Verständnis für den Beschluss seiner Parteifreunde auf Bundesebene, aus den Jamaika-Gesprächen auszusteigen. "Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungsführer der FDP gemerkt haben, dass die anderen Parteien nicht wissen, wohin die Reise geht", so Müller.

 "Man hätte sich vielleicht noch mehr Zeit geben müssen" Ulrich G. Müller (FDP)

"Man hätte sich vielleicht noch mehr Zeit geben müssen" Ulrich G. Müller (FDP)

Foto: FDP

Modernisierung, Digitalisierung, Bildung - dies seien für die Freien Demokraten wichtige Themen. "Stattdessen wird über Wochen über irgendeine Obergrenze gesprochen, statt konkret über ein Einwanderungsgesetz zu diskutieren", kritisierte Müller. Er könne sich durchaus eine Minderheitsregierung von CDU, Grünen und FDP vorstellen - "ohne die CSU". Neuwahlen wären für Müller hingegen nicht die beste Option. Er stellte nach dem Scheitern von Jamaika klar: "In Solingen lassen wir uns bei unseren Vorhaben nicht beirren. Wir werden trotzdem mit anderen Parteien den Haushalt 2018 verabschieden."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt hatte wiederum bis zum Sonntagabend damit gerechnet, dass die Sondierung ein Erfolg wird. "Aus meiner Sicht war zu jedem strittigen Punkt eine Einigung greifbar", sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Umso erstaunter bin ich, dass gerade die FDP die Gespräche zum Platzen brachte. Ich kann mir dies nicht inhaltlich, sondern allenfalls emotional erklären", betonte Hardt und ergänzte: "Vielleicht fühlt sich die FDP in ihrem Stolz verletzt, dass sie in einer Jamaika-Koalition für die Union nicht klar die Nummer Zwei wäre, sondern sich diesen Rang mit den Grünen teilen müsste".

Hardt hielt gestern Morgen eine schwarz-grüne Minderheitsregierung für denkbar. "Ein klares schwarz-grünes Regierungsprogramm würde auch den Bundespräsidenten überzeugen, das Wagnis einer Minderheitsregierung einzugehen." Überdies sollte die CDU nun noch einmal auf die SPD zugehen, falls die FDP nicht doch noch ihre Entscheidung vom Sonntagabend überdenke. "Die aktuelle Situation wird eine Debatte in der SPD entfachen, warum sie bisher leichtfertig jedwede Regierungsbeteiligung ausgeschlossen hat. Diese Haltung verstößt gegen den Geist unserer Demokratie", sagte Jürgen Hardt.

Diesen Schuh möchte sich der SPD-Unterbezirksvorsitzender Josef Neumann indes nicht anziehen. Im Gespräch mit unserer Redaktion betonte der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete am Montag dementsprechend zum wiederholten Male, seine Partei habe bei der Wahl keinen Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Die SPD in der aktuellen Lage an ihre "staatspolitische Verantwortung" erinnern zu wollen, sei jedenfalls ein durchschaubares Spiel.

"In Verhandlungen kann es nicht darum gehen, Maximalforderungen durchzusetzen", sagte Neumann an die Adresse der Jamaika-Sondierer gerichtet. Nun sei zu überlegen, ob eine Minderheiten-Regierung aus CDU/CSU sowie Grünen Sinn mache, betonte der Solinger SPD-Chef, bevor sein Bundesvorsitzender Martin Schulz später in Berlin Neuwahlen forderte.

Bei den Solinger Grünen wird ein auf das Wohlwollen anderer Parteien angewiesenes Bündnis mit der Union allerdings eher skeptisch gesehen. "Es war doch schon in den Sondierungen schwer genug, zu einer Verständigung in den Themen Migration und Klima zu kommen", sagte Martina Zsack-Möllmann, Sprecherin der Grünen im Stadtrat, mit Blick auf dann von Fall zu Fall immer wieder neu auszuhandelnde Mehrheiten.

Für das Verhalten der Liberalen vermochte Martina Zsack-Möllmann kein Verständnis aufzubringen. "Dass die FDP so kurz vor dem Ende der Sondierungen aussteigt, macht mich ärgerlich", erklärte die Solinger Fraktionssprecherin, die dafür vor allem FDP-Chef Christian Lindner und dessen Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann verantwortlich machte. Die Düsseldorferin Strack-Zimmermann sei bereits auf Ebene der Landschaftsversammlung Rheinland nicht eben durch Kompromissbereitschaft aufgefallen, sagte Zsack-Möllmann, die jetzt "eine hausgemachte Krise für unser Land" sieht. So sei zu befürchten, dass die AfD bei Neuwahlen stärker werde. Und auch für Kommunen wie Solingen sei die fortgesetzte Hängepartie in der Hauptstadt von Nachteil, so die Grüne.

Für Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach ist nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche in Berlin eine sehr schwierige Situation entstanden. "Im Interesse Deutschlands appelliere ich an das Verantwortungsbewusstsein aller in Berlin. Es muss jetzt schnell eine Lösung gefunden werden, damit das Land stabil handlungsfähig ist", sagte der Verwaltungschef am Montag gegenüber unserer Redaktion.

(RP)
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