Solingen "Islamfeindlichkeit ist großes Problem"

Solingen · Die Islamwissenschaftlerin Hanna Attar leitet seit März bei der Awo das Projekt "Nicht in meinem Namen!".

 An einer Schule wird Hanna Attar nach den Sommerferien einen Workshop zum Thema Islamfeindlichkeit geben.

An einer Schule wird Hanna Attar nach den Sommerferien einen Workshop zum Thema Islamfeindlichkeit geben.

Foto: mak

Hanna Attar ist schon voll angekommen in ihrem neuen Job: Zum 1. März hat die 26-jährige Islamwissenschaftlerin die Leitung des Projekts "Nicht in meinem Namen!" bei der Awo Arbeit und Qualifizierung gGmbH übernommen. Die ersten Monate hat die gebürtige Emdenerin genutzt, um Kontakte zu knüpfen: Zu Institutionen der Jugendarbeit, zu Schulen und Moscheen - und vor allem zu Jugendlichen, die in dem Projekt, das sich gegen Diskriminierung, antimuslimischen Rassismus und den Missbrauch von Religion richtet, die Hauptrolle spielen.

Jetzt plant Hanna Attar für die kommenden Wochen und Monate: "Nach den Sommerferien werde ich an einer Schule einen Workshop zum Thema Islamfeindlichkeit geben und eine andere Schule bei der Gründung einer Anti-Rassismus-AG unterstützen." Zudem arbeitet sie mit Jugendlichen an der Organisation eines Flashmobs.

Hanna Attar weiß: Das Thema Islamfeindlichkeit ist aktuell, vielleicht so aktuell wie nie, antimuslimischer Rassismus ist in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Die junge Frau hat zwei Perspektiven darauf: Eine persönliche, denn als in Deutschland geborene Muslimin und Tochter eines syrischen Vaters hat auch sie selbst immer wieder Islamfeindlichkeit erlebt; und eine professionelle, rein wissenschaftliche. In Hamburg hat Hanna Attar zunächst ihren Bachelor im Hauptfach Islamwissenschaften abgelegt, im Anschluss den Master im Studiengang Religionen, Dialog und Bildung mit Schwerpunkt Islam gemacht. "Die Islamwissenschaften betrachten das ganze Thema von außen. Genau das ist wichtig, um Zusammenhänge zu verstehen und tiefer einzutauchen. Bessere und umfangreichere Informationen zum Islam sind unbedingt notwendig, um Islamfeindlichkeit zu verhindern", so Attar.

Sie ist davon überzeugt, dass die Mehrheitsgesellschaft zwischen dem normalen und dem gewaltbereiten Islam zu unterscheiden vermag, dass es jedoch auch Menschen gibt, deren Bild der Religion verzerrt ist. "Ich habe das Gefühl, dass die Bereitschaft zum Dialog in der letzten Zeit auch zunimmt. Aber dennoch ist Islamfeindlichkeit aktuell ein großes Problem."

Ein Problem, das gerade viele Jugendliche belastet, das hört Hanna Attar in ihren Gesprächen in der Anlaufstelle "Jump In" der Awo an der Konrad-Adenauer-Straße immer wieder: "Sie erfahren verschiedene Diskriminierungen, nehmen das wahr und es beschäftigt sie." Im schlimmsten Fall könnten Frust und Wut dazu führen, dass junge Menschen in gefährliche, extremistische Gruppen gerieten.

Hanna Attar will Jugendliche auffangen, will mit ihnen reden und nicht über sie, will ihnen den Raum geben, Fragen zu stellen, sich auszutauschen, Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Der Job, sagt sie, sei ihr Traumjob, für den sie den Umzug von Hamburg nach Solingen gerne in Kauf genommen habe. "Dieses Thema hat mich schon immer interessiert, genau in diesem Bereich habe ich auch schon während und nach dem Studium ehrenamtlich gearbeitet."

Der Umgang mit den Jugendlichen mache ihr viel Spaß, die Vielfalt der Aufgaben, die Möglichkeit, sich ausprobieren zu können, neue Wege zu beschreiten seien das Reizvolle an ihrer neuen Stelle. "Die Awo Aqua gGmbH arbeitet hier sehr zeitgemäß und fängt ein aktuelles Thema auf, das findet man nicht überall", sagt Attar, die in der Stadtmitte wohnt. Als Neu-Solingerin hat sie einen unverstellten Blick auf die Stadt - und ist beeindruckt von der Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierungsarbeit, die hier geleistet wird. "Es fällt auf, wie gut die Netzwerke hier zusammenarbeiten und wie viele Möglichkeiten es gibt."

Für die nächsten fünf Jahre, die Laufzeit des Projekts, wünscht sich Hanna Attar, dazu beitragen zu können, Vorurteile zu bekämpfen. "Und ich hoffe, dass wir eines Tages gar nicht mehr über Rassismus sprechen müssen, weil es ihn einfach nicht mehr gibt."

(mxh)
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