Solingen Horn und Orgel voll Harmonie beim Orgelsommer

Solingen · Vox Humana heißt ein Register, das sich an manchen Orgeln findet. Wie der Name sagt, soll es der menschlichen Stimme nachempfunden sein. Aber fast alle klingen nicht danach. Der Sage nach hat das den barocken Orgelbauer Joseph Gabler beim Bau der großen Orgel der Basilika St. Martin in Weingarten so in die Verzweiflung getrieben, dass er deshalb seine Seele dem Teufel verschrieben hat.

Der hat ihm dann eingegeben, wie dieses Register zu bauen ist - und seine Seele einkassiert. Vielleicht hätte Gabler sich das sparen können, wenn er einen Hornisten eingeladen hätte, um zusammen mit der Orgel zu spielen. Denn das Horn - ähnlich wie das Cello bei den Streichern - hat einen besonders weichen, "menschlichen" Klang. Davon konnte man sich beim jüngsten Konzert des Gräfrather Orgelsommers am Sonntag in der Klosterkirche ein wundervolles Hörbild machen.

Sehr beeindruckend konnten Jochen Stein an der Orgel und die Hornistin Isabelle van de Wiele ein begeistertes Publikum davon überzeugen, wie vortrefflich diese beiden Instrumente miteinander harmonieren. Dabei nahmen die beiden Solisten ihre Zuhörer mit auf eine Reise in unbekanntes Land. Denn Komponisten wie August Körling, Bernhard Eduard Müller oder Oskar Lindberg sagen selbst dem eifrigsten Musikenthusiasten oft nichts. Aber nicht deshalb waren die meisten Teilnehmer dieser Reise in ein durch und durch romantisches Programm mit Regenschirmen bewaffnet. Der sonntagnachmittägliche Himmel über einem schwülen Gräfrath verhieß Feuchtigkeit. Dem Regen zu entgehen, war ein Konzertbesuch das Beste.

Viele Stücke führten den Begriff des Pastoralen im Titel. So bildete die von beiden Musikern kraftvoll genommene "Sinfonia pastoral" von Nikolai Aladov mit seinen originellen Wechseln in Melodik und Harmonie einen gelungen Abschluss des Konzerts. Mit sanften Registerfarben ließ Jochen Stein die romantische Seele der Gräfrather Orgel in August Körlings 1899 entstandenen "Pastorale" aufblühen. Dazu kostete Isabelle van de Wiele zärtlich und schwelgerisch die Partie des Horns aus. Sanft und dynamisch fein abgestuft, demonstrierten die beiden Künstler auch in der "Pastorale" von 1978 von Staffan Lundberg, wie ideal sich die beiden Instrumente ergänzen können. Denn der Klang beider lebt vom Atem. Bei der Orgel ist es die mechanische Lunge der Blasebälge. Beim Horn aber kommt neben der Luft des Spielers noch etwas Besonderes hinzu, was sich nur bei den Blechblasinstrumenten findet. Der Ton wird durch die Vibration der Lippen erzeugt - und die mittlere, weiche Stimmlage des Horns macht es dann so ansprechend, fast menschlich.

Eröffnet wurde das Konzert aber mit Solo-Auftritten der beiden Musiker. Den Anfang machte die 1958 geschriebene Intrada für Horn solo von Otto Ketting. Isabelle van de Wiele gab der aufsteigenden Melodie mit klarer Intonation eine Seele. Die Musik schwingt sich auf, entwickelt sich melodisch. Fanfarenhaft geschmetterte Passagen weichen dann wieder zurück, um dem Melodiösen Platz zu machen, um am Ende im Nachhall des Kirchenraums zu verebben. Romantisch in satten Tönen schwelgend, konnte dann Jochen Stein den "Marche triomphale" von Jacques-Nicolas Lemmens präsentieren. Zupackend und mitreißend gestaltete der Solist diesen Marsch für Orgel. Das zarte Verschmelzen von Horn- und Orgelklang standen im Mittelpunkt. Beispiel hierfür ist auch das schmelzend vorgetragene "Gebet" von Bernhard Eduard Müller: eine musikalische Zwiesprache mit Gott. Die hätte Joseph Gabler auch lieber halten sollen, anstatt mit dem Satan einen Bund einzugehen.

(crm)
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