Solingen Hohe Abfindung für Vertriebsleiter

Solingen · Arbeitsgericht: Schneidwarenunternehmen baut um - auch beim Personal.

Sich vor dem Arbeitsgericht zu treffen - vor allem nach "vielen Jahren guter Zusammenarbeit", wie dessen Direktor Dr. Anno Hamacher es formulierte - hat für Kläger wie Beklagten etwas Bedrückendes. Im gestern Nachmittag vor der 3. Kammer verhandelten Fall sind es 26 Jahre, die der Kläger für ein bekanntes Solinger Schneidwarenunternehmen tätig war. Das hätte, wie schon bei einem früheren Termin vor dem Arbeitsgericht, gerne die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Zweimal hatten die Geschäftsführer ihrem Verkaufsleiter Inland betriebsbedingt gekündigt - einmal zum 30. Juni, einmal zum 30. November dieses Jahres. Die Stelle soll entfallen, ein Gesamtvertriebsleiter ab Jahresmitte für In- sowie Ausland zuständig sein und bis zum Jahresende einen Nachfolger einarbeiten.

Einen anderen Posten für den Kläger gebe es nicht, argumentierten die Beklagten - weder als Vertriebs- noch als Marketingleiter. Marketingaufgaben hatte der Kläger bereits in der Vergangenheit übernommen. "Da gab es nie Klagen", unterstrich sein Rechtsanwalt. Künftig wolle man die Marke aber "ganz anders profilieren", erläuterte der Rechtsanwalt des Unternehmens. Man wolle eine neue Marketingstrategie mit Blick aufs Premium-Segment fahren: "Da brauchen wir jemand, der das richtig kann". Und der designierte neue Vertriebsleiter müsse "Internationalität" beherrschen. Dem 58-jährigen Kläger habe er zudem ein Studium der Betriebswirtschaftslehre voraus.

Es blieb also nur die Frage, wie hoch eine Abfindung ausfallen müsse. Beim Termin im März hatten die Beklagten 216.000 Euro angeboten, der Kläger 436.000 Euro gefordert. Jetzt offerierte der Arbeitgeber 250.000 Euro bei einem Ausscheiden zum 30. Juni; der Anwalt des Vertriebsleiters pochte auf gut 300.000 Euro (18 Monatsgehälter) zum 31. Dezember: "Jeder muss seine Schmerzgrenze definieren."

"Meine Erfahrung sagt mir: Wahrscheinlich werden Sie sich einigen", kommentierte Richter Hamacher und schlug als Kompromiss ein Ausscheiden zum Jahresende bei einer Abfindung von 250.000 Euro vor. Die Einigung dauerte. Aber nach fast zwei Stunden stand das Ergebnis: Der Kläger verlässt Ende 2018 das Unternehmen, ist solange von der Arbeit freigestellt, erhält 262.000 Euro, darf weiter den Firmenwagen nutzen und bekommt ein sehr gutes Zeugnis.

Beim ohne Ergebnis zu Ende gegangenen Termin im März hatte es eine Überraschung gegeben: Als einer der beiden Beisitzer war ausgerechnet der erst kürzlich in den Ruhestand gegangene Betriebsratsvorsitzende des Schneidwarenherstellers benannt worden. Die neue Verhandlung verfolgte er gestern von den Zuschauerplätzen aus.

(flm)
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