Sally Perel „Jude und Nazi in einem Körper“

Sally Perel, bekannt durch seine Autobiografie „Ich war Hitlerjunge Salomon“, sprach gestern vor Solinger Schülern.

 Sally Perel sprach vor Schülern in der Aula des Gymnasiums an der Schwertstraße.

Sally Perel sprach vor Schülern in der Aula des Gymnasiums an der Schwertstraße.

Foto: Alexander Riedel

Schnell hatte der Gast spürbar die Herzen seiner Zuhörer gewonnen. Und das lag neben seiner eindrucksvollen Geschichte wohl auch an der Art seines Auftretens: Warmherzig und humorvoll begegnete Sally Perel den Schülern in der Aula des Gymnasiums Schwertstraße. „Ich liebe die deutsche Jugend“, sagte der 93-Jährige, und schob verschmitzt hinterher: „Und ich glaube, sie mag mich auch, schließlich habe ich viele Freundschaftsangebote auf Facebook.“

Mit seiner verfilmten Autobiographie „Ich war Hitlerjunge Salomon“ hatte Perel in den frühen 1990er Jahren internationale Bekanntheit erlangt. Gestern besuchte der Träger des Bundesverdienstkreuzes im Rahmen einer Lesereise die Klingenstadt – und berichtete über sein bemerkenswertes Leben: Im niedersächischen Peine als Sohn jüdischer Eltern geboren erlebte Perel als Achtjähriger nach bis dahin „glücklichen Kinderjahren“ die Machtergreifung der Nationalsozialisten, floh später mit seiner Familie nach Lodz. Dort musste er nach dem Überfall auf Polen seine Eltern zurücklassen, die später im Ghetto starben. „Du sollst leben“ – dieser Abschiedssatz seiner Mutter habe ihn immer begleitet, berichtete Perel. Die weitere Flucht führte ihn nach Minsk, wo ihn nach dem Angriff auf die Sowjetunion 1941 die Wehrmacht gefangen nahm. Ihr gegenüber verleugnete der damals 16-jährige Perel seine jüdische Herkunft – und gelangte als Volksdeutscher „Jupp“ in die Hitlerjugend. Dort erlebte er die Wirkung von Propaganda am eigenen Leib: „Ich begann, mich mit der Nazi-Ideologie zu identifizieren“, berichtete Perel. „Jude und Nazi in einem Körper“ sei er gewesen, habe „Sieg Heil geschrieen, während Millionen Kinder verbrannt wurden.“ Und immer habe er seine wahre Herkunft verborgen. Perel berichtete, wie ein homosexueller Unteroffizier beim Versuch, ihn zu vergewaltigen, seine Beschneidung bemerkte, aber schwieg. Oder wie ihn ein Lehrer der Rassenkunde an die Tafel holte – und als Arier der „ostbaltischen Rasse“ identifizierte. Die Angst vor Verfolgung sei nach dem Krieg rasch verflogen, sagte Perel den Schülern. Wirklich verarbeitet habe er die Geschehnisse aber erst Jahrzehnte später.

Heute lebt Perel in Israel, bezeichnet Deutschland aber stets als sein Mutterland. In Solingen besuchte er nach der Schwertstraße auch das Gymnasium Vogelsang und das Rathaus. Schüler und Lehrer nutzten die Gelegenheit für Nachfragen, etwa nach dem Verbleib seiner Familie oder seinem weiteren Werdegang und spendeten viel Applaus. „Geschichte“, betonte Perel mit einem Blick auf die Gegenwart, „ist die beste Lehrmeisterin.“ Das, was er den Schülern über sein Leben erzählte, solle als Auftrag an die Zukunft verstanden werden: „Ich bin ein Zeitzeuge, und wenn ich gehe, will ich Euch als Zeitzeugen hinterlassen.“

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