Solingen Große Koalition – Solinger SPD sagt nein

Solingen · Während in Berlin noch sondiert und gepokert wird, ist das Meinungsbild der Genossen in der Klingenstadt klar.

Noch bevor es eine breitere Meinungsbefragung der SPD-Basis gegen konnte, ist in Solingen bereits ein erster eindeutiger Beschluss gefasst worden: Der SPD- Unterbezirksausschuss hat sich mehrheitlich gegen eine große Koalition ausgesprochen. Mit dem Votum in der Tasche fährt Solingens SPD-Parteichef Josef Neumann heute zum Parteikonvent nach Berlin. "Es gibt große Bedenken gegen eine große Koalition", sagt Neumann, "Viele haben Angst, dass wir darin untergehen könnten."

Auch das Fehlen einer starken Opposition könnte sich bei dem Zusammengehen der beiden großen Parteien negativ auf den politischen Meinungsbildungsprozess auswirken, ist er überzeugt. Doch wer soll's denn dann machen? Neumann sieht auch eine Minderheitsregierung der CDU als einen gangbaren Weg. Der Vorwurf, die SPD drücke sich vor der Verantwortung, wenn sie sich einer Regierungsbeteiligung verweigere, verfängt nach Neumanns Einschätzung nicht. "Wir können auch als Oppositionspartei Verantwortung übernehmen." Das habe die SPD auch in der Vergangenheit getan und wichtige politische Entscheidungen mitgetragen.

Auch SPD-Fraktionschef Tim Kurzbach und sein Stellvertreter Ernst Lauterjung sehen eine mögliche Regierungsbeteiligung kritisch. "Der Wähler erwartet Verlässlichkeit", sagt Kurzbach — und für die von der SPD im Wahlkampf gesetzten Kernthemen wie etwa ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, Steuererhöhungen, um Investitionen in Bildung, Verkehr und Kommunen zu finanzieren, sei die CDU kaum der geeignete Partner. "Nun soll die SPD den Karren aus dem Dreck ziehen", sagt Lauterjung und winkt ab.

"Ich tippe da eher auf Schwarz-Grün." Auch Kay Zerlin, finanzpolitischer Sprecher der SPD im Stadtrat, kann sich eine Koalition mit der CDU derzeit nur schlecht vorstellen. Sondierungsgespräche hält er dennoch für sinnvoll. Eine Mitgliederbefragung hält er für einen geeigneten Weg zu einer Entscheidung — "doch das kann etwas dauern". Wichtig ist ihm eine selbstkritische Nachlese der Wahl, bei der Standpunkte überprüft werden sollten. Ratsfrau Ioanna Zacharaki sieht die SPD in der Opposition besser aufgehoben. "Die Partei muss ihre Konturen schärfen."

Hans Werner Bertl, der von 1994 bis 2005 für die SPD im Bundestag saß, ist eher zwiegespalten und wägt ab. Nein, sagt Bertl, einen Automatismus "aus ordnungspolitischer Sehnsucht" dürfe es nicht geben. Schließlich gebe es Alternativen zur großen Koalition. Doch dürfe man sich einer Regierungsbeteiligung grundsätzlich nicht verschließen. Voraussetzung sei aber, dass die Schnittmengen groß genug blieben. So seien Steuerpolitik, Mindestlohn sowie eine Reform der Kranken- und Pflegeversicherung als zentrale Positionen der SPD wichtige Punkte der Verhandlungen.

(RP)
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