Solingen Gewerkschafter besorgt wegen fehlender Ausbildungsplätze

Solingen · Das Thema "Industrie 4.0" stand beim Arbeitnehmerempfang im Mittelpunkt.

Welcher Ort hätte passender sein können, um über die Entwicklung der Industrie im Bergischen Land zu sprechen, als die historische Gesenkschmiede Hendrichs in Merscheid? Dort, zwischen Fallhämmern, Pressen und Fräsmaschinen, ließen die Gäste beim traditionellen Arbeitnehmerempfang des Oberbürgermeisters nieder. "Rauchende Schlote, stampfende Maschinen und frierende Arbeiter - das ist alles Geschichte", betonte Gastgeber Tim Kurzbach (SPD). Solidarität sei jedoch weiterhin ein zentraler Begriff, erst recht angesichts der extrem ungleichen Verteilung von Gütern auf diesem Globus.

"Dampfmaschine oder Industrie 4.0" hieß das Thema der Veranstaltung. Nach dem Übergang der Agrar- zur Industriegesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert, der verstärkten durch Technik gestützten Massenproduktion und dem Beginn des Computerzeitalters im 20. Jahrhundert müssten sich Wirtschaft und auch Verwaltung inzwischen mit einer weiteren Entwicklungsstufe befassen, der "digitalen Revolution", führte Barbara Jagenberg von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aus, und leitete damit den Gedankenaustausch auf dem Podium ein.

Im Grunde sei Solingen in digitaler Hinsicht gut aufgestellt, sagte Tim Kurzbach und verwies dabei auf den Glasfaserausbau in der Klingenstadt, von dem auch viele Unternehmen profitieren könnten. Auch Marko Röhrig von der IG Metall betonte, insbesondere viele Automobilzulieferer hätten sich bereits der Realität gestellt. Großen Nachholbedarf sah hingegen Dirk Bortmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Bereich des Bildungswesens. Viele Lehrer hätten zum Beispiel überhaupt keine Weiterbildung im Hinblick auf den Umgang mit moderner Informationstechnologie erhalten. Kopfzerbrechen bereitet den Stadtoberen auch der Zustand der Lernstätten: Einmal mehr verwies Tim Kurzbach auf den Sanierungsstau in Höhe von 60 Millionen Euro allein bei den Schulgebäuden. Im Zuge der Modernisierung vieler Häuser versprach er auch eine Verbesserung der technischen Ausstattung. Mit Sorgen blickten Gewerkschafter und Stadtspitze auf die Ausbildungssituation in der Klingenstadt. Vor allem von der Industrie gebe es bis auf rühmliche Ausnahmen deutlich zu wenig Initiativen, sich mit einer Ausbildungsstrategie für die Zukunft zu wappnen, kritisierte Marko Röhrig.

Auch die Notwendigkeit flexiblerer Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehörten zu den Themen beim Arbeitnehmerempfang, der im Gegensatz zu früheren Jahren von großer Harmonie zwischen Gewerkschaftern und Verwaltungsspitze geprägt war. Die Veranstaltung im Vorfeld des Mai-Feiertages hat sich in Solingen seit den 70er Jahren etabliert. Oberbürgermeisterin Elisabeth Roock (SPD) hatte sie einst ins Leben gerufen.

(ied)
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