Solingen Gewerbsmäßiger Betrug: Nachhilfelehrer vor Gericht

Solingen · Anklageschriften werden üblicherweise stehend verlesen. Gestern allerdings bat die Staatsanwältin nach mehr als einer halben Stunde darum, sich setzen zu dürfen. Da waren gerade mal 60 der 118 Fälle abgehandelt, die dem Angeklagten zur Last gelegt werden.

Gewerbsmäßiger Betrug: So lautet der Anklagevorwurf gegen den 24-jährigen Wuppertaler, der die Jobcenter in Wuppertal und Solingen durch die Abrechnung nicht geleisteter Nachhilfestunden betrogen haben soll. Mehr als 153.000 Euro soll er so zu Unrecht vereinnahmt haben. Gegen den Angeklagten war im September Haftbefehl erlassen worden. Vor dem ersten Verhandlungstag hatte es Verständigungsgespräche zwischen seinen Verteidigern, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gegeben. Dabei hatte der Angeklagte angekündigt, sich im Verfahrensverlauf zum Tatvorwurf geständig einlassen und Angaben zu Tatbeteiligten machen zu wollen. Schon jetzt scheint für das Gericht klar zu sein, dass eine Bewährungsstrafe nicht in Betracht kommt.

Mit bislang 20 angesetzten Verhandlungstagen und mehr als 140 Zeugen kann durchaus von einem Mammutprozess gesprochen werden. Im Mittelpunkt der Vorwürfe: Fingierte Abrechnungen einer Nachhilfeschule, die vom Angeklagten mit Zweigstellen in Wuppertal und Solingen betrieben worden ist. Besagte Rechnungen wurden bei den Jobcentern eingereicht und von dort ohne Argwohn und genauere Überprüfung bezahlt.

Grundlage für die gezahlten Pauschalen sind die gesetzlich geregelten Leistungen für Bildung und Teilhabe nach SGB II und SGB XII. Demzufolge werden die Kosten für den Nachhilfeunterricht lernschwacher Schüler übernommen, wenn er aus Sicht der Schule als notwendig erachtet wird.

Der Angeklagte hatte vor mittlerweile drei Jahren eine Nachhilfeschule eröffnet und teilweise bis zu 90 Unterrichtsstunden abgerechnet, obwohl die angeblichen Schüler nie bei ihm unterrichtet worden sind. Einige hatten nur wenige Stunden Hausaufgabenhilfe bekommen, andere wiederum wurden nicht in der angegebenen Stundenzahl und auch nicht in den abgerechneten Fächern unterrichtet. Für jede der dem Angeklagten vorgeworfenen Taten sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.

Der Prozess vor dem Wuppertaler Landgericht wird fortgesetzt.

(RP)
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