Solingen Gewalt gegen Polizisten und Helfer steigt

Solingen · Beamte und Rettungsdienst-Mitarbeiter klagen über zunehmende Anfeindungen, denen sie ausgesetzt sind. Die Statistik bestätigt dies. Immer mehr Menschen verlieren bei scheinbar harmlosen Streitigkeiten die Nerven - und schlagen zu.

 Vor allem bei Familienstreitigkeiten ist von den Beamten viel Fingerspitzengefühl gefordert. Manchmal hilft aber nur noch polizeilicher Zwang.

Vor allem bei Familienstreitigkeiten ist von den Beamten viel Fingerspitzengefühl gefordert. Manchmal hilft aber nur noch polizeilicher Zwang.

Foto: Reichwein

Es war ein typischer Fall. Erst vor wenigen Wochen kam es in und vor der Polizeiinspektion an der Kölner Straße zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen Beamten sowie den Mitgliedern einer Großfamilie. Zunächst hatte - aus nichtigem Anlass - ein Wort das andere gegeben. Doch am Ende des Streits stand eine traurige Bilanz: ein leichtverletzter Polizist sowie mehrere Randalierer, die für Stunden in Gewahrsam genommen werden mussten, bis sie sich wieder beruhigt hatten.

Gewaltausbrüche, die scheinbar wie aus dem Nichts kommen - tatsächlich beobachten die Verantwortlichen bei Polizei sowie Hilfsorganisationen bereits seit längerem ein Phänomen, das ihnen auch in Solingen zunehmend Sorgen bereitet. "Die Hemmschwelle vieler Menschen sinkt", sagte jetzt beispielsweise ein Polizeisprecher, während das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in der Klingenstadt ebenfalls betonte, die eigenen Mitarbeiter seien zunehmend Aggressionen ausgesetzt.

Die Zahlen sprechen jedenfalls für sich. So registrierte die polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das zurückliegende Jahr in Solingen zwar "lediglich" 48 Fälle von gewalttätigen Angriffen auf Beamte und damit im Vergleich zu 2014, als noch 56 Übergriffe gezählt wurden, mithin einen Rückgang von rund 15 Prozent. Gleichwohl kann von Entwarnung keine Rede sein. Denn nach Informationen unserer Redaktion dürfte die Zahl 2016 wieder ansteigen.

Eine Entwicklung, auf die Polizei sowie die Hilfsdienste mit differenzierten Strategien reagieren. So gehören sogenannte Deeskalationstrainings schon seit geraumer Zeit zur Aus- beziehungsweise Fortbildung der Beamten sowie der Rettungsdienstmitarbeiter. "Wir versuchen, unsere Leute zu schulen, wie sie mit brenzligen Situationen umgehen sollen", hieß es dazu zum Beispiel vonseiten des Roten Kreuzes.

Trotzdem fährt bei jedem Einsatz die Angst mit, eine Lage könnte jederzeit eskalieren. Und das nicht erst seit dieser Woche, als Rettungssanitäter in Gelsenkirchen gleich in zwei Fällen angegriffen und verletzt wurden - unter anderem von den Angehörigen einer Frau, der die Feuerwehr-Mitarbeiter nur helfen wollten.

"Übergriffe von dieser Heftigkeit hat es bei uns zum Glück noch nicht gegeben", betonte eine Sprecherin des Solinger DRK auf Anfrage. Dennoch müssten sich die Rot-Kreuz-Helfer auch in der Klingenstadt immer wieder Beleidigungen anhören sowie Angriffe ertragen. So sei es etwa an Silvester bereits vorgekommen, dass Betrunkene Einsatzfahrzeuge mit Raketen beschossen hätten.

Dabei lassen sich durchaus bestimmte Muster erkennen, die verbale oder gar körperliche Attacken wahrscheinlicher machen. "Viele Täter sind männlich, relativ jung und eben oft alkoholisiert", sagte der Polizeisprecher, der gleichzeitig klarstellte, seine Kollegen würden bei Auseinandersetzungen zunächst - wo es geht - versuchen, mäßigend auf Störenfriede einzuwirken. "Wir bleiben so lange wie möglich sachlich und überhören zudem auch schon einmal eine Beleidigung", hieß es vonseiten der Polizei.

Vor allem bei familiären Streitigkeiten ist Fingerspitzengefühl gefragt. Indes kommt es immer wieder vor, dass die Beamten doch eingreifen müssen - beispielsweise dann, wenn es gilt, Platzverweise durchzusetzen. "Im Zweifelsfall sind wir gefordert, Maßnahmen mit Zwang Geltung zu verschaffen", betonte der Polizeisprecher.

Darüber hinaus unterstrich die Polizei, die Beamten allein seien bei der Bekämpfung zunehmender Gewalt überfordert. "Die Ursachen sind vielfältig - und bei jüngeren Leuten sind auch die Eltern sowie die Lehrer in der Pflicht", sagte der Sprecher.

Allerdings sind es nicht nur Jugendliche, die für Ärger sorgen. So ging bei dem Gewaltausbruch vor ein paar Wochen an der Solinger Polizeiinspektion die Aggression zunächst von einem erwachsenen Mitglied der Familie aus. Was wiederum für den Mann sowie seine Verwandten noch unangenehme Folgen haben dürfte. Denn die Polizisten erstatteten Anzeige, so dass am Ende eine Strafe stehen könnte.

(or)
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