Em-Tagebuch Gemischte Gefühle am Ende einer Fußball-Reise

Solingen · In den vergangenen Wochen hat unserer Mitarbeiter von seinen Erlebnissen und Eindrücken im Rahmen der Fußball-EM berichtet -nach dem Halbfinale geht es zurück nach Solingen.

Es gibt Tage, an denen einen schnell das Gefühl beschleicht, dass sie nicht den erhofften Verlauf nehmen werden: Der Donnerstag war ein solcher. In den Morgenstunden berieselten uns im idyllisch gelegenen Appartement im provenzalischen La Ciotat französische TV-Beiträge zum EM-Halbfinale Deutschland gegen Frankreich, in denen sich Experten und Fans des Gastgebers mit gallischem Hahn auf dem Arm beängstigend siegessicher zeigten.

Nachdem beim Sieg unserer Mannschaft im Elfmeterkrimi gegen Italien in Bordeaux von der Dramaturgie des Spiels bis zur Organisation im Stadionumfeld alles gepasst hatte, zeigte schon die Anfahrt zum Stade Velodrome in Marseille ihre Tücken: Für gewöhnliche Fans standen keine Parkplätze zur Verfügung. Ein Polizist riet uns, einfach "irgendwo" zu parken. Das taten wir: Schweißgebadet bei hohen Temperaturen stellte Jürgen den Wagen schließlich gegenüber einem schäbigen Plattenbau ab, den ein freundlicher Einheimischer als "Haus der Verrückten" bezeichnete. Scheinbar vor dem Stadion angekommen, stellten wir - neben Jürgen sind das Michael, Robert und Alex - fest, dass wir, um unseren Eingang zu erreichen, in einem Pulk von Fans erst durch den halben Stadtteil wandern mussten. Denn das Stadion ist von Hochhäusern, einem Park und einem weiteren Sportplatz umgeben.

Im Fußballtempel von Olympique Marseille mit seinen 67.000 Plätzen selbst genossen wir mit kühlen Getränken schließlich den Blick auf die wuchtigen, steilen Ränge. Die Stimmung verriet, wenig überraschend: Das würde das erste echte Auswärtsspiel für unsere Nationalmannschaft werden. Doch erst, als wir uns schon zum Halbzeitapplaus für eine eigentlich gute Leistung der Löw-Elf fertigmachten, unterlief ausgerechnet dem bis dahin sehr präsenten Schweinsteiger das Handspiel, das uns letztlich auf die Verliererstraße bringen sollte. Die Verletzung Boatengs, die vergebenen Chancen, die Fehlerkette beim überflüssigen 0:2 - das war nicht unser Tag. Geknickt, mit einem Gefühl der Leere, schlurften wir vorbei an hupenden Autos und Motorrädern zurück zum Parkplatz.

Doch alle Enttäuschung kann letztlich nicht vergessen lassen, dass eine großartige Reise durch ganz Frankreich hinter uns liegt. Wir haben nicht nur die EM-Arenen in Lille, Paris, Bordeaux und Marseille von innen gesehen, sondern auch andere Sehenswürdigkeiten der Spielorte und anderer Städte auf der Strecke erkundet, alte Bekannte aus der Klingenstadt getroffen und hilfsbereite Gastgeber kennengelernt. Und wir haben eine deutsche Mannschaft gesehen, die zum sechsten Mal in Folge ins Halbfinale eines großen Turniers eingezogen ist und insgesamt nur ein einziges Gegentor aus dem laufenden Spiel heraus kassiert hat. Ihren Weg werden wir sowieso weiter begleiten - sei es auf Reisen oder in heimischen Gefilden.

(RP)
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