Solingen Ganz romantisch: das Orchester als Geliebte

Solingen · Werke von Schumann, Pfitzner und Sibelius standen im Mittelpunkt des Philharmonischen Konzertes.

Ein borstiger und schwieriger Charakter. Selbst den Nazis, die doch gerne Größen aus der Kultur für sich vereinnahmen wollen, ist er ein viel zu unsicherer Kantonist. Alleine schon seine spätromantische, oft endzeitliche Musik passt nicht zum gewollten nationalen Aufbruch. Dabei hätte er sich wegen seines unbestritten bedeutenden Lebenswerks gerne hofiert gesehen. Stattdessen werden ihm ein paar Preise verliehen, um ihn dann vor die Tür zu setzen. Das macht ihn am Lebensabend vollends zum verbitterten Querulanten.

Das Zerrissene zeigt sich: Auf der einen Seite geht er Göring auf die Nerven, damit jüdische Freunde aus dem KZ frei kommen, auf der anderen Seite schickt er dem in Nürnberg als Massenmörder verurteilten Nazi-Chef in Polen, Hans Frank, ein Trosttelegramm in die Todeszelle. Oft grüblerisch und immer kompromisslos führt sein Werk bis heute ein unverdientes Schattendasein. So ist es bemerkenswert, dass Generalmusikdirektor Peter Kuhn das selten zu hörende Duo für Violine, Cello und Orchester von Hans Pfitzner in die Mitte des 3. Philharmonischen Konzertes am Dienstagabend im Konzertsaal stellte.

1937 entstanden, ist das Werk alles andere als bitter. Daniel Gaede (Violine) und Gustav Rivinius (Cello) umschmeicheln sich heiter in den drei leichten und lichten Sätzen, die ineinander übergehen. Dann greift mal die Flöte, mal das Horn in das Geschehen ein, die Streicher weben einen weichen Teppich für die Solisten. Dezent begleiten Kuhn und die Bergischen Symphoniker in diesem innigen Werk. Für die klangschöne Virtuosität von Gaede und Rivinius gab es Bravo-Rufe.

Pfitzners verkapptes Doppelkonzert schlägt den Bogen fast 100 Jahre zurück in die Klangwelt Robert Schumanns. Ein Werk von ihm eröffnet das Konzert. "Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur Opus 52" lautet der sperrige Titel. Dabei ist es tatsächlich eine kleine, schwungvolle Symphonie. Die Symphoniker können schwelgen: Hornromantik, hingehauchte Pizzicati, energische Episoden. Bunt, ja fast feurig gestalten sie das triumphal endende Finale - und strafen damit alle Lügen, die immer noch denken, Schumanns Instrumentierungen seien hölzern. Ein schwebendes Anheben in den Streichern, intim und kammermusikalisch inszeniert. Flöten in Terzen, alles filigran und durchsichtig gestaltet. Selbst die Blechbläserakkorde erscheinen wie aus fernen Zeiten. Generalpause. Nach einer markant genommenen Steigerung lassen Peter Kuhn und das Orchester den 1. Satz der 6. Symphonie von Jean Sibelius sanft entschwinden.

Es ist Sibelius' kürzeste und heiterste Symphonie. So gestalten die Musiker sie auch überzeugend wie ein finnisches Gegenstück zur "Pastoralen". "Sibelius entlässt sein Material ins Freie", erläutert Kuhn. Besonders bespielhaft dafür wird der letzte Satz in Szene gesetzt: eine freie Form, die sich durchaus zur organisierten Klangorgie steigern kann. Und wird es im Blech dramatisch, sind gleich wieder schwungvolle Elemente zur Stelle. Streicher und Holzbläser wiegen sich sanft, pulsierend wird das Motiv genommen, bevor die Symphonie entschwebt, wie sie begonnen hat.

Fast intermezzohaft kurz sind die beiden mittleren Sätze. Delikat, inklusive aufblitzender Harfe, nehmen die Musiker das Allegretto. Zu einem tänzerischen Wechselspiel der Instrumente wird das Vivace. Sibelius sagte einmal: "Ich bin nie eine gesetzliche Ehe mit einem Orchester eingegangen, ich blieb immer sein Liebhaber." Diesmal sind die Bergischen Symphoniker die beglückten Geliebten gewesen - dafür gibt es großen Applaus.

(RP)
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