Solingen Fromme Jecken

Solingen · Karneval und Kirche – das passt nach den Worten von Stadtdechant Heinz-Manfred Jansen gut zusammen. „Die Freude gehört zum Christsein.“ Wer an Gott glaube, sei ein fröhlicher Mensch, keine Triefnase.

Ob St. Suitbertus Weeg, St. Engelbert oder St. Mariä Himmelfahrt – insbesondere in den katholischen Gemeinden wird Karneval gefeiert. Warum? „Das kommt doch aus dem katholischen Lager“, sagt Stadtdechant Heinz-Manfred Jansen mit Blick auf die rheinische Tradition. Gerade in den Pfarreien werde Karneval gefeiert. Für den Stadtdechanten ist es jedenfalls kein Zufall, dass die besten Büttenredner stets aus dem Umfeld der Kirche kommen. Der fromme Jeck Willibert Pauels zum Beispiel ist katholischer Diakon.

Nach Jansens Worten passen Karneval und katholische Lebensauffassung zusammen. „Die Freude gehört untrennbar zum Christsein.“ Wer an Gott glaube, sei ein fröhlicher Mensch, keine Triefnase.

Auf die Frage, weshalb sie Karneval feiere, antwortet eine ausgelassene Besucherin des Weiberkarnevals der katholischen Gemeinde St. Engelbert: „Weil ich gerne lache, und übers Jahr gibt es oft nicht so viel zu lachen.“ Selbstverständlich, dass die Zeit bis Aschermittwoch noch einmal ausgiebig genossen wird. Denn dann beginnt pünktlich um Mitternacht die 40-tägige Fastenzeit bis Ostern. Diese wurde bereits im Jahr 600 von Papst Gregor dem Großen eingeführt und soll an die Zeit erinnern, die Jesus Christus in der Wüste verbracht hat. Natürlich musste vorher noch einmal kräftig gegessen und getrunken werden. Doch die Narren- und Karnevalsfeiern entstanden erst im Mittelalter. Prozessionen wurden durchgeführt. Wurde jedoch der Karneval in den Aschermittwoch hinein verlängert, drohten harte Strafen.

„Karneval hat viel mit der Veräppelung der Franzosen während der französischen Besetzung zu tun“, weiß Pfarrer Gerd Breidenbach, katholische Kirchengemeinde St. Clemens, aus der Geschichte zu berichten.

Im 19. Jahrhundert zogen vermehrt Umzüge der entwaffneten Bürgerwehren als Protest gegen und als Parodie auf die Besetzer in komischen Uniformen und mit Gewehrimitaten, in die sie Blumen gesteckt hatten, durch die Städte. Diese Umzüge beeinflussten die Karnevalsfeiern. Viele dieser Bräuche haben sich bis heute gehalten. Warum der Karneval bis heute ein Sinnbild katholischer Mentalität ist, geht auf die Reformation zurück. Sie teilte nicht nur die Kirche, sondern nahm viele Veränderungen vor.

„Es gibt in der evangelischen Kirche keine verpflichtende Fastenzeit vor Ostern“, erklärt Pfarrerin Andrea Zarpentin, evangelische Kirchengemeinde Dorp. Mit der Abschaffung der Fastenzeit verloren auch die Karnevalsfeiern ihren Sinn und verschwanden in den überwiegend evangelischen Gebieten vollständig. Damit gingen viele Bräuche und Sitten verloren. Erst Ende des 20. Jahrhunderts begannen viele evangelische Städte damit, Karneval wieder zu feiern.

Dennoch sind es immer noch überwiegend die katholischen Gemeinden, die „noch mal ordentlich auf die Pauke hauen“, so Pfarrer Gerd Breidenbach, „bevor sie in der Fastenzeit dann drei Gänge zurückschalten.“

(RP)
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