Solingen Frau getötet: Unfallfahrer verurteilt

Solingen · Ein Jahr und sechs Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung. Dieses Urteil sprach gestern das Schöffengericht und setzte somit zumindest juristisch den Schlussstrich unter einen tödlichen Verkehrsunfall, bei dem am 25. November 2011 in Wald eine 77-jährige Fußgängerin ums Leben kam.

Für die Angehörigen der Seniorin, die der Verhandlung beiwohnten, mag es eine Beruhigung sein, dass auch der Angeklagte, ein 21-Jähriger, diesen Tag wohl nie in seinem Leben vergessen wird. Er entschuldigte sich, doch er weiß auch, dass das den qualvollen Tod der 77-Jährigen nicht ungeschehen macht.

Von einem "sehr außergewöhnlichen Unfall" sprach der Vorsitzende Richter Joachim Schmitz-Knierim, es sei ein Verfahren mit einem großen "Gerechtigkeitsproblem". Da sei auf der einen Seite das Opfer, das vor seinem Tod noch sehr gelitten habe, da sei aber auch der junge Mann, der ebenfalls an dem, was er getan hat, schwer trägt, der seine Schulausbildung abbrach, keine Lehrstelle findet und sich heute mit Gelegenheitsjobs durchschlägt.

Gravierende Fahrfehler

Ganz klar war nach der gut dreistündigen Verhandlung aber auch, dass der Fahranfänger, der bereits vier Punkte in der Verkehrssünderkartei hatte, gravierende Fehler machte. Der Angeklagte, der seit September 2008 in Begleitung und seit 2009 alleine Auto fahren darf, kam an diesem verregneten Tag im November aus Düsseldorf und wollte einen Freund besuchen, der in einer Pizzeria an der Weyerstraße arbeitete. Von der Autobahn fuhr er nicht über Central nach Wald, er nutzte Schleichwege. Eine ganze Weile fuhr er hinter einem Fahrschulwagen her.

Offenbar genervt vom vorschriftsmäßigen Fahren des jungen Mannes am Steuer setzte er mit seinem VW-Golf schließlich zum Überholen an. Dabei fuhr er über die Rechtsabbiegespur auf der Friedrich-Ebert-Straße und scherte dann so nah vor dem Fahrschulfahrzeug ein, dass der Fahrlehrer zu seinem Schüler sagte: "Das geht nicht gut." Beim Versuch, vor dem Fahrschulwagen links abzubiegen, verlor der damals 20-Jährige die Kontrolle über sein Auto und erfasste die Seniorin, die an der beampelten Kreuzung Friedrich-Ebert-, Schwindtstraße und Wiedenkamperstraße stand. Die 77-Jährige wurde zwischen Fahrzeug und dem Ampelmast eingeklemmt.

Eine Krankenschwester, die am Unfallort erste Hilfe leistete, schilderte gestern vor Gericht, dass die schwer verletzte Frau laut geschrien habe und noch bei Bewusstsein gewesen sei. Die Schwester hatte bis zum Eintreffen des Notarztes mit der Seniorin gesprochen. Weil die 77-Jährige Marcumar einnehmen musste, hatten ihre Wunden stark geblutet. Ursache für ihren Tod wenige Stunden später sei aber eindeutig der Unfall gewesen, stellte der Vorsitzende Richter fest.

Dass der Angeklagte trotz der schwerwiegenden Folgen seines Verhaltens eine Bewährungschance bekam — er muss in der Bewährungszeit 120 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und darf eineinhalb Jahre nicht fahren —, begründete das Gericht auch damit, dass der Unfall auch für den jungen Mann durch den Abbruch der Schule und die erfolglose Lehrstellensuche schwerwiegende Folgen hat. "Ich denke jeden Tag an den schrecklichen Unfall", hatte der 21-Jährige in einem Brief an die Angehörigen geschrieben. Der Versuch, mit ihnen gestern nach der Gerichtsverhandlung Telefonnummern auszutauschen, blieb aber erfolglos. Alle müssen das Urteil wohl erst für sich persönlich verarbeiten.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort