Horst Gabriel Firmen fürs Haifischbecken stärken

Solingen · Horst Gabriel, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Solingen, erwartet zähe Verhandlungen bei den Tarifgesprächen in der Metall- und Elektroindustrie. Er hofft, dass bis Mitte Mai mit der IG Metall ein Abschluss vereinbart werden kann.

Heute werden in Neuss die Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie fortgesetzt. Sie sitzen mit am Verhandlungstisch für die Region Bergisches Land. Glauben Sie angesichts einer Lohnforderung in Höhe von 5,5 Prozent seitens der IG Metall an eine kurzfristige Entscheidung?

Gabriel Wir haben ein grundsätzliches Interesse daran, dass die Tarifrunde zügig entschieden wird. Da sind wir uns mit der IG Metall einig, wie ich am Rande der Jahresmitgliederversammlung am Dienstag auch in einem sehr angenehmen Gespräch mit unserem Solinger Gewerkschaftler, Marko Röhrig, erfahren durfte. Unsicherheit und Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung haben wir in Zeiten wie diesen schon genug. Wir haben mit 2,3 Prozent ein faires Angebot in Bayern vorgelegt, so dass jetzt die IG Metall zur Annäherung am Zug ist. Ich wünsche mir, dass wir Mitte Mai fertig sind und einen Abschluss haben. Gesamtmetall-Präsident Dr. Rainer Dulger hat dies auch bereits so formuliert. 5,5 Prozent mehr Geld sind aus unserer Sicht völlig illusorisch und weit weg von unserem Angebot. Insofern stelle ich mich weiterhin auf zähe Verhandlungen ein.

Was können sich die Unternehmen aus Ihrer Sicht an Lohnplus für die Beschäftigten leisten?

Gabriel Für dieses Jahr rechnet unsere Branche mit einem Wachstum von lediglich 0,5 Prozent. Das ist – wenn überhaupt – allenfalls ein laues Auf ohne Schwung. Wir sind mit der Produktion auf dem Stand vom Herbst – und das 3. Quartal 2012 war nicht gut. Die hohe Forderung passt also nicht zur wirtschaftlichen Lage. Sie weckt nicht erfüllbare Erwartungen bei den Beschäftigten. Das haben wir der IG Metall in der ersten Tarifverhandlung in Bielefeld auch so gesagt. Ich will es mal so ausdrücken: Eine wirklichkeitsnähere Forderung hätte diese Tarifrunde deutlich leichter gemacht.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Betriebe ein?

Gabriel Die aktuelle Lage ist nach wie vor sehr heterogen. Wir haben hier in unserer Region Unternehmen, die uns über eine gute Auftragslage berichten. Es gibt auf der anderen Seite aber auch Betriebe, die melden deutlich unterausgelastete Kapazitäten, eine schwache Auftragslage und fahren auf Sicht – siehe die schlimmen Nachrichten von Schaeffler in Wuppertal vergangene Woche. Gerade weil unsere Branche so unterschiedliche Befindlichkeiten meldet, müssen wir in dieser Tarifrunde einen klugen Abschluss finden, mit dem alle Unternehmen auch leben können.

Einige Unternehmen im Bergischen haben bereits Stellenabbau angekündigt.

Gabriel Wir wissen von einer steigenden Anzahl von Unternehmen, die bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeit beantragen. Das lässt auf eine schwächere Auftragslage in manchen Bereichen schließen. Daraus lese ich aber auch folgendes: Die Anmeldung von Kurzarbeit hat ja zunächst einmal das Ziel, Arbeitsplätze zu sichern. Mit anderen Worten: Die Unternehmen im Bergischen setzen ihre beschäftigungsfreundliche Personalpolitik fort. Und das freut mich sehr.

Wie sieht es mit den Energie- und Rohstoffkosten aus?

Gabriel Wir haben zuletzt große Einbrüche bei den Rohstoffpreisen erlebt, das hilft uns ein wenig, gegen die sonst sehr schlechten Margen gegenzusteuern. Was die Energie betrifft, bin ich gespannt, wie die Wende ans Rollen kommt. Wir haben sehr schnell sehr viel Ökostrom bekommen, der aber die Preise verteuert. Wir müssen aufpassen, uns auf dem internationalen Markt nicht ins Abseits zu schießen.

Viele Unternehmen aus der Region sind Zulieferer für die Automobilindustrie. Auch Ihr Betrieb. Wie gehen die Konzerne mit den überwiegend kleinen und mittelständischen Firmen um?

Gabriel Hier kann ich nur für mein Unternehmen sprechen, und da bin ich etwas zwiegespalten, da wir von der Automobilindustrie abhängig sind und die gute Zahlungsmoral uns sehr hilft. Die Sitten sind in den vergangenen Jahren leider wieder verroht. Es werden munter Verträge nicht eingehalten, Termine beliebig verschoben, dann sofort mit Lieferverzug gedroht. Es werden ohne Begründung fünfstellige Rechnungen für Sonderkosten gestellt, die dann sofort abgezogen werden während sonst mit 90 Tagen bezahlt wird. Und klagen Sie einmal gegen einen Großkonzern! Wenn Sie mit Lieferstopp drohen, folgt unmittelbar die Gegendrohung mit dem Zauberwort "Bandstillstand" mit Kosten von 12 000 Euro pro Minute. Man braucht schon ein solides Fundament, um in dem Haifischbecken mitschwimmen zu können.

Sie sind auch Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung. Initiativen wie "Rettet das Ittertal" sehen in der Entwicklung von Brachen und des Schließens von Baulücken die Möglichkeit, den künftigen Gewerbeflächenbedarf zu decken. Sehen Sie das auch so?

Gabriel Wenn Sie künftig keine passenden Flächen für Erweiterungen unserer Solinger Betriebe oder gar Ansiedelung neuer Unternehmen wünschen, wie es einige der auf den fahrenden Zug aufgesprungenen Ideologen tun, dann reichen die Brachen. Wenn Sie aber Arbeitsplätze und Gewerbesteuer in Solingen halten wollen, dann ist es jetzt schon fünf vor Zwölf für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete. Das finden die Betroffenen natürlich nicht schön, das verstehe ich auch.

Neue Gewerbegebiete sind in Keusenhof, Fürkeltrath II, Piepersberg-West und Buschfeld geplant. "Rettet das Ittertal" sorgt sich um die Frischluftzufuhr für das Ittertal, sollten diese Gebiete bebaut werden. Welche Rolle spielt für Sie der Klimaschutz bei der Ausweisung neuer Gewerbeflächen?

Gabriel Solingen hat nur zwei "Kältezüge", die uns die Frischluft bringen, einen in Aufderhöhe und den zweiten durch das Ittertal, trotz der Sperre durch die Eisenbahn. Das ist wichtig. Ich habe selbst an der ersten Führung durch das Ittertal unter Jan Boomers teilgenommen. Damals waren vor allem betroffene Bürger und Politiker dabei. Meine Auffassung ist, dass man mit etwas gutem Willen beiden Seiten gerecht werden kann.

UWE VETTER FÜHRTE DAS GESPRÄCH MIT HORST GABRIEL.

(RP)
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