Solingen FDP-Urgestein Müller zur Situation der Liberalen

Solingen · Walter Scheel, der berühmteste Freidemokrat, wurde in Solingen geboren. Christian Lindner, der derzeit populärste kommt aus Wermelskirchen. Viele Jahre galt die Klingenstadt als liberale Hochburg. Nun geht's ums Überleben.

Kann die FDP überleben, wenn sie endlich den Parteichef austauscht? Auch nach dem misslungenen Befreiungsschlag von Philipp Rösler auf dem Dreikönigstreffen der Liberalen am Sonntag will sich Ulrich G. Müller nicht festlegen. "Wir sollten endlich wieder über Sachfragen sprechen, uns auf liberale Grundsätze besinnen und nicht ständig übers Personal streiten", sagt Solingens FDP-Chef.

Über liberale Grundsätze hatte Rösler etwa eine Stunde gesprochen, doch den frenetischen Applaus der Parteibasis hatte Rainer Brüderle geerntet, der mit seiner Rede das politische Herz seiner Parteifreunde erreichte. Rösler oder Brüderle? Ulrich G. Müller nickt bei keinem von beiden. Doch für ihn steht fest: "Die Boy Group kommt nicht so an." Rösler ist schwer angeschlagen, Bahr im Gesundheitsministerium abgetaucht, Lindner hält sich als Landesretter der Partei vornehm zurück. Ja, der Lindner, den kennt Ulrich G. Müller gut.

Schließlich ist er schon 50 Jahre in der Partei und hat die Karriere des Hoffnungsträgers aus der Nachbarstadt Wermelskirchen über viele Jahre begleitet. "Lindner redet besser als Rösler", sagt Müller, "das ist eine wichtige Fähigkeit in der Mediendemokratie." Aber reicht das? Gerade in Zeiten der Mediendemokratie sei das Amt des Parteivorsitzenden undankbar, nicht nur in der FDP. Platzek, Beck — Westerwelle. Auch um Rainer Brüderle, sollte er Röslers Amt übernehmen, macht sich Müller Gedanken. "Brüderle an der Parteispitze würde zwar die Personaldiskussion beenden, doch ein falscher Satz reicht, und schon schießen die Medien sich auf ihn ein."

Braucht Deutschland überhaupt die FDP? "Das hat Rudolf Augstein schon vor mehr als 30 Jahren gefragt, und hinterher saß er für die FDP im Bundestag", sagt Müller. Im Überlebenskampf haben die Liberalen große Erfahrung, und es ist schon eine Weile her, dass sie in ihrer Hochburg Solingen Traumergebnisse einfuhr.

"In Solingen hat die FDP bundesweit unter den kreisfreien Städten die besten Wahlergebnisse geholt", erinnert sich Müller. "Das ging bis zu 20 Prozent in Stadtteilen wie Burg oder Gräfrath." Vor Bundestagswahlen seien zu Zeiten der sozialliberalen Koalition im Gefolge des gebürtigen Solingers und späteren Ehrenbürgers Walter Scheel bis zu vier FDP-Bundesminister in der Klingenstadt aufgetreten. Doch sieht Müller die langjährige Zuneigung des bergischen Wählers zum Liberalismus in dessen Mentalität. "Der Bergische ist ein Freidenker, ein unabhängiger Geist", sagt Müller.

Doch wofür steht die FDP heute? Mehr Netto vom Brutto? Reicht das? "Liberale Wirtschaftspolitik ist kein Neoliberalismus", sagt Müller. Vernünftige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft durch weniger staatliche Eingriffe gehören für ihn dazu ebenso wie ein vereinfachtes Steuersystem, das weniger Ausnahmen zulässt.

Das wichtigste politische Thema der kommenden Jahre aber ist für den FDP-Chef die Entschuldung bis hinunter in die Kommunen. "Wir sind in Solingen die einzige Partei, die bei der Haushaltsdiskussion Schuldenverringerung durch Leistungskürzung erreichen wollte." Die FDP-Forderung generell zehn Prozent bei allen freiwilligen Leistungen zu kürzen, sei aber abgeschmettert worden.

(RP/rl)
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