Dreharbeiten in Solingen „Faking Hitler“ im Retro-Bungalow

Solingen · In dieser Fabrikantenvilla im Solinger Stadtteil Höhscheid ist nichts gefaked: Emel und Rahmann Müjde vermieten ihr Haus für Filmproduktionen. Nach „Boris Becker“ kam jetzt „Konrad Kujau“.

 Faking Hitler: Rahman und Emel Müjde haben für die Dreharbeiten ihren Bungalow in Höhscheid zur Verfügung gestellt.

Faking Hitler: Rahman und Emel Müjde haben für die Dreharbeiten ihren Bungalow in Höhscheid zur Verfügung gestellt.

Foto: Fred Lothar Melchior

„Musste wieder erklären, dass ich in meiner Stellung kein kleinbürgerliches Leben führen kann. Auch, dass ich dazu nicht geschaffen bin.“ Dank erfundener Reflexionen des Führers – wie diesem vermeintlichen Tagebuch-Eintrag – hatte Konrad Kujau seine Sternstunde, verdiente in den frühen 1980er Jahren Millionen und musste schließlich ins Gefängnis. Letzte Woche lebte der vor 21 Jahren gestorbene Maler und Kunstfälscher in Höhscheid wieder auf: Moritz Bleibtreu spielt Kujau im Sechsteiler „Faking Hitler“. Eine der Kulissen: die 1964 errichtete Fabrikantenvilla in Nähe der Platzhofstraße, in der im April schon „Boris Becker“ zu Gast war.

Emel und Rahman Müjde gewöhnen sich langsam daran, dass ihr Haus gerne als Drehort gebucht wird. „Als ich es in diesem Jahr gekauft habe, habe ich die komplette Inneneinrichtung übernommen“, berichtet der 45-jährige Bauunternehmer. Der von Wolfgang Körber entworfene Bungalow ist in der Zeit stehengeblieben: Besucher und Location Scouts sind fasziniert vom großzügigen Wohnbereich, von der geräumigen Bar, dem Schwimmbad und dem Kinoraum.

Viele Details wirken wie aus einem Museum der neueren Zeitgeschichte – etwa die große Tonband- und Musikanlage in der Bar oder die Lampen und die Pflanzinseln im Wohnbereich. Die, erzählt Emel Müjde, habe das Filmteam von „Faking Hitler“ aber neu bestückt: Die Mitarbeiter ersetzten die Kunstblumen durch Sansevierien. Sie gefallen der 42-Jährigen so gut, dass sie die Drachenbaumgewächse nach den Dreharbeiten behielt. Ein von Hitler gemaltes Bild, ein Landschaftsmotiv aus den Bergen, nahm die Produktionsfirma aber wieder mit.

Mehrere Tage lang war das Team um Regisseur Tobi Baumann in Höhscheid aktiv – und der Wagenpulk an der Platzhofstraße nicht zu übersehen. „Die letzten Szenen mit Schauspielern wurden bei uns gedreht“, sagt Rahman Müjde. Die Höhscheider Villa ist im Film das Haus von Stern-Reporter Gerd Heidemann, gespielt von Lars Eidinger. Der durfte am ersten Drehtag einige Bahnen im extra dafür aufgeheizten Pool schwimmen. Für Szenen im Wohnraum wurde mit großen Scheinwerfern und einer Green Screen am Fenster ein schöner Sommertag suggeriert – während draußen ein Gewitter tobte.

Heidemann, fasziniert vom Tausendjährigen Reich, witterte den größten Scoop seines Lebens, als er von den Tagebüchern hörte. Seine Mitschnitte der Telefonate mit Kujau sind eine wesentliche Quelle für den 2019 veröffentlichten zehnteiligen Podcast „Faking Hitler – die wahre Geschichte der Hitler-Tagebücher“. In ihm arbeitete der „Stern“ seine Vergangenheit auf; die neue Serie lehnt sich im Titel daran an. Ansonsten, informiert Produzent UFA Fiction, werde „die bereits bekannte Episode deutscher Mediengeschichte“ aber „um aktuelle Themen wie Fake News, die Verharmlosung des Nationalsozialismus sowie die Verführbarkeit von Menschen erweitert“.

Lars Eidinger ist Hausherr Rahman Müjde als „sehr bodenständiger und immer höflicher Mensch“ aufgefallen. „Mit ihm saßen wir in der Bar und haben Small Talk gemacht.“ Moritz Bleibtreu dagegen habe sich auf seine Arbeit konzentriert. Müjde: „Er ist ein Top-Schauspieler.“ Die Crew, die hin und wieder von seiner Ehefrau bewirtet wurde, sei ein „super Team“ gewesen: „Wir haben sehr positive Erfahrungen gemacht.“ Auch die kleine Feier, mit der die Dreharbeiten beendet wurden, verlief harmonisch.

 Lars Eidinger (l.) spielt „Stern“-Reporter Gerd Heidemann und Moritz Bleibtreu (r.) spielt Kunstfälscher Konrad Kujau.

Lars Eidinger (l.) spielt „Stern“-Reporter Gerd Heidemann und Moritz Bleibtreu (r.) spielt Kunstfälscher Konrad Kujau.

Foto: obs/Wolfgang Ennenbach

Wird der Retro-Bungalow nun zum ständigen Drehort? „Jetzt muss erst einmal Schluss sein“, antwortet Rahman Müjde. „Jetzt findet wieder unser privates Leben statt.“ Immerhin machte sowohl das „Becker“- als auch das „Hitler“-Team die Nacht zum Tage. Die Aufnahmen endeten oft erst in den frühen Morgenstunden, während die fünfköpfige Familie weiter ihren Bungalow bewohnte. Und was wird aus dem „Retro“? „Ich werde einige Akzente im Haus setzen“, kündigt Bauunternehmer Müjde an. Zunächst wird aber das Flachdach gedämmt. Denn das passt definitiv nicht mehr in die Zeit.

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