Solingen-Stöcken Radtrasse durch alten Straßenbahn-Tunnel?
Stöcken · Die Stadt will die Möglichkeit prüfen, das Rasspe-Areal in Stöcken an die Korkenziehertrasse anzubinden. Strukturen sind vorhanden.
Die Überreste dieses Stücks Solinger Verkehrshistorie liegen im Verborgenen – und von außen erinnert lediglich noch ein schmaler Pfad, der vor einem Tor endet, vage an den Betrieb, der hier früher einmal herrschte. Vor der scharfen Haarnadelkurve der Cronenberger Straße in Richtung Kohlfurth fällt der Blick rechterhand auf den alten Tunnel der einstigen Linie 5. Jahrzehntelang nutzten vor allem Arbeiter und Angestellte der früheren Landmaschinenfabrik Rasspe die Straßenbahn, um morgens von Solingen aus zu ihrer Arbeitsstelle in Stöcken und abends wieder zurückzukommen.
Alles Geschichte: Die Straßenbahnlinie 5 fuhr am 3. Mai 1969 zum allerletzten Mal. Und auch Rasspe gehört in der Klingenstadt längst der Vergangenheit an, seitdem das Unternehmen seinen Sitz vor knapp zehn Jahren in die Nachbarstadt Wermelskirchen verlegt hat. Doch die Infrastruktur ist weiterhin vorhanden und soll in Zukunft neu genutzt werden.
So ist es das erklärte Ziel von Stadt und städtischer Wirtschaftsförderung, die ungenutzte Industriebrache am östlichen Rand Solingens schon in wenigen Jahren in eine Art bergisches Silicon Valley verwandelt zu haben. Und für die Trasse der eingestellten Linie 5 existieren ebenfalls frische Ideen. Denn im Zuge der Reaktivierung des Rasspe-Areals wäre es denkbar, für Radfahrer einen Abzweig von der Korkenziehertrasse zu realisieren, der dann unter anderem durch den Tunnel verlaufen könnte.
„Das wäre sicherlich eine sehr schöne Sache“, sagte in dieser Woche der bei der Stadt zuständige Abteilungsleiter Strategische Planung, Carsten Zimmermann, auf Anfrage unserer Redaktion. Zwar betonte Zimmermann parallel, dahingehende Überlegungen befänden sich einstweilen noch in einem sehr frühen Stadium. Gleichwohl, so der städtische Planer, würden alle potenziellen Modelle einer Trassen-Anbindung für Stöcken ernsthaft untersucht.
Wobei eine Option tatsächlich darin bestehen könnte, den fast in Vergessenheit geratenen Tunnel wieder zu beleben. Der Grund: Als die Strecke, die in ihrer Gesamtheit von Wuppertal bis Solingen führte, wenige Tage nach Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 in Betrieb genommen wurde, achteten die Ingenieure stets darauf, die Gefälle der Bahnen so gering wie möglich zu halten. Was nach wie vor einen entscheidenden Vorteil darstellt, bieten sich die so entstandenen Trassen doch auch gut für den nicht motorisierten Zweirad-Verkehr unserer Tage an.
Indes gilt es zunächst, die notwendigen Hausaufgaben zu erledigen, bevor die zuletzt bei einer Bürgerversammlung zum Rasspe-Areal diskutierte Idee einer neuen Fahrradtrasse angegangen werden kann. Beispielsweise ist – neben der genauen Klärung, wie der Tunnel augenblicklich genutzt wird – die Frage zu beantworten, auf welche Weise das Projekt über Fördermittel finanziell gestemmt werden kann. Und ferner muss von Fachleuten geprüft werden, inwieweit der andere, zugeschüttete Teil des in der Summe 188 Meter langen Tunnels mit dem einstigen Eingang im Bereich der Margaretenstraße zu revitalisieren ist.
Bis zur Stilllegung der Linie 5 Ende der 60er Jahre verkehrten die Bahnen fahrplanmäßig zwischen dem Zentrum der Klingenstadt sowie Wuppertal. Durch die Barmer Bergbahn betrieben, startete die 5 am Mühlenplatz. Von dort ging es auf der Cronenberger Straße am heutigen Rathaus vorbei. Hinter der Querung der Korkenziehertrasse bogen die Bahnen nach Osten, um im Tunnel zu verschwinden und an der Haarnadelkurve wieder auf die Cronenberger Straße zu treffen. Die nächste Station war sodann die Haltestelle Stöcken nahe der Rasspe-Fabrik, ehe die Fahrt in die Kohlfurth und über die Kohlfurter Brücke via Cronenberg weiter nach Wuppertal fortgesetzt wurde.
Wie der Autor Hans-Erich Homberg vor einigen Jahren in einer vom Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Solingen, herausgegebenen Broschüre berichtete, lagen auf Solinger Stadtgebiet die Haltestellen Mühlenplatz, Potsdamer Straße, Posthaus, Margaretenstraße, Stöcken, Schrodtberg sowie Kohlfurth. Die Fahrzeit auf diesem knapp 3,4 Kilometer langen Teilabschnitt der Linie 5 betrug elf Minuten. Und um Begegnungsverkehr auf der einspurigen Strecke zu ermöglichen, waren an der Margaretenstraße beziehungsweise in Schrodtberg jeweils Ausweichstellen angelegt.
Die allerdings nach dem Ende der Straßenbahn genauso wenig noch gebraucht wurden wie die sonstigen Anlagen. An die Stelle der Linie 5 traten Busse, die Jahren als CE 64 die beiden bergischen Großstädte Solingen und Wuppertal miteinander verbinden.
Eine Renaissance erlebten die einstigen Bahntrassen der Region nach der Jahrtausendwende, als zum Beispiel die Korkenziehertrasse zu einem Freizeitweg ausgebaut wurde. Darüber hinaus könnten die Strecken in den folgenden Jahren aber auch noch eine zusätzliche Bedeutung erlangen. Denn mit dem Aufkommen der E-Bikes verwandelt sich der Bergische mehr und mehr in eine Zweirad-Region.
So gibt es beispielsweise Pläne, Pendler zum Umsteigen auf Räder zu animieren, indem neue Routen zwischen den Städten geschaffen werden. Mit einer Reaktivierung der alten Barmer Bergbahn bekäme das Gewerbegebiet „Stöcken 17“ auf dem Rasspe-Gelände einen Anschluss an dieses zukünftige Radwegenetz.