Solingen Experten warnen vor Vorurteilen nach Mord

Solingen · Die Bilder auf den Videobändern zählen nicht gerade zu den Höhepunkten filmischer Kunst. Die Kameraeinstellung wechselt nie, und auch sonst sind die Szenen oft trauriger Natur.

2009: Schwangere entführt und missbraucht - das Urteil
13 Bilder

2009: Schwangere entführt und missbraucht - das Urteil

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Aber trotzdem ist man mit den Aufnahmen bei den Verkehrsbetrieben der Stadtwerke (SWS) ausgesprochen zufrieden. So zufrieden, dass man schon bald noch mehr Videos aufzeichnet. Denn seit die SWS vor über vier Jahren begannen, ihre Fahrzeuge mit Videokameras zu bestücken, müssen Täter, die sich in den Bussen etwas zuschulden kommen lassen, verstärkt damit rechnen, erwischt zu werden. So wie zum Beispiel jener 20-Jährige, der im März auf der Linie 682 einen 16-Jährigen niederstach und gegen den inzwischen Anklage erhoben wurde.

Allerdings, die zehn weiteren Busse der Verkehrsbetriebe, die bis Jahresende in Betrieb genommen werden und mit Kameras ausgestattet sind, ändern nichts am Problem. Sowohl der mutmaßliche Messerstecher, als auch die beiden 23-Jährigen, die im Verdacht stehen, vergangene Woche einen Obdachlosen in Ohligs ermordet zu haben, waren bei der Polizei bereits vor den Taten alte Bekannte. Und es sind Leute, die dafür sorgen, dass sich immer mehr Bürger in der Stadt nicht länger sicher fühlen. Im auch für Solingen zuständigen Polizeipräsidium Wuppertal nimmt man die Ängste der Leute durchaus ernst — und versucht trotzdem, zu beruhigen. Trotz etlicher Messerstechereien, Vergewaltigungen sowie anderen Delikten: Für die Polizei ist Solingen darum noch lange keine Verbrecher-Hochburg. "Es sind weiterhin Einzelfälle", erklärte gestern ein Polizeisprecher.

Ein Blick auf die Statistik gibt ihm recht. Von 2008 bis 2009 nahmen die Gewaltfälle — also alles von Körperverletzung bis Mord — um fast elf Prozent ab. Solingen zählt weiter zu den sichersten Großstädten der Republik. Nur ist das natürlich lediglich die eine Seite. Gerade spektakuläre Taten wie der brutale Mord in Ohligs hinterlassen bei vielen ein Gefühl der Angst — und der Ruf nach härteren Strafen, gerade für Wiederholungstäter, wird lauter.

Einen Automatismus, von dem auch Jugendrichter Joachim Schmitz-Knierim weiß. Er kennt die beiden Verdächtigen zwar nicht. Von pauschalen Urteilen hält er aber nichts. Es komme darauf an, jeden Fall einzeln zu betrachten, erklärt Schmitz-Knierim. Gerade bei Jugendlichen handele es sich oft um eine Phase der Gewalt, die irgendwann wieder ende: "Ich hatte schon junge Leute vor Gericht, bei denen das Schlimmste zu fürchten war — doch dann sind sie nie wieder auffällig geworden."

(RP)
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