Solingen Etwas Warmes im Bauch

Solingen · Die evangelische Kirchengemeinde Wald versorgt unter dem Motto "Wir bitten zu Tisch" kranke sowie ältere Menschen kostenlos mit einem Essen auf Rädern. Die Not ist groß, erlebt Gemeindeschwester Bettina Hahmann.

"Manchmal muss ich mich zurückhalten, um nicht vor Betroffenheit zu weinen", sagt Bettina Hahmann. Die Gemeindeschwester der evangelische Kirchengemeinde Wald versorgt Menschen mit Essen, die nicht in der Lage sind, sich selbst um eine warme Mahlzeit zu kümmern oder diese zu finanzieren.

Seit über 20 Jahren gibt es montags und donnerstags im Gemeindehaus Corinthstraße einen Mittagstisch für Bedürftige. "Irgendwann ist mir bei meinen zahlreichen Hausbesuchen aufgefallen, wie viele Menschen sehr gerne an unserem Mittagstisch teilnehmen würden, aber körperlich einfach nicht in der Lage sind, das Haus zu verlassen", erzählt Bettina Hahmann.

Diesen Menschen, die das Schicksal ohnehin oft hart getroffen hat, zu helfen, war das Ziel, als die Gemeindeschwester vor zwei Jahren das Angebot "Wir bitten zu Tisch" ins Leben rief. Auf Wunsch täglich wird immobilen Bedürftigen eine warme Mahlzeit ins Haus geliefert. Das Mittagessen bestellt die Gemeindeschwester bei der Evangelischen Altenhilfe in Wald. Sie kennt die Schicksale der Bedürftigen genau. "Betroffen sind nicht nur alte Menschen, sondern auch junge mit schwerwiegenden Krankheiten", weiß Hahmann. Sie schildert den Fall eines 38-Jährigen, der schwer an Multipler Sklerose erkrankt ist. Natürlich seien viele Senioren unter den Nutzern des mobilen Mittagstischs. Meist empfangen sie nur die Grundsicherung oder eine ganz kleine Rente.

Geld, das eigentlich niemals reicht. "Viele sagen: ,Endlich mal wieder ein warmes Essen!" – und mir läuft ein kalter Schauer den Rücken herunter, weil ich diese Not als so unmenschlich und ungerecht empfinde", schildert Bettina Hahmann die Situation.

Durch die Euro-Umstellung seien die monatlichen Renten halbiert worden, ohne der Teuerungsrate angepasst zu werden. Hinzu kämen steigende Energiepreise. "Die Miete wird oft unter Anstrengung aufgebracht, aber für ein vernünftiges, warmes Essen reicht das Geld fast nie." Hinzu käme gerade bei älteren Menschen eine große Scham, Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. "Bei ihnen herrscht noch der Glaube vor, dass nur Gescheiterte zur Fürsorge gehen." Für Bedürftige ist das Essen auf Rädern kostenlos. "Wir bitten zu Tisch" finanziert sich ausschließlich aus Spenden. Wer die Pflegestufe I und eine Grundsicherung bekommt, für den kann Gemeindeschwester Bettina Hahmann einen Antrag auf Bezuschussung stellen. Ihr geht es bei der Versorgung mit warmem Essen um mehr als nur die Ernährung von Bedürftigen. Essen sei Geselligkeit, ein Teilhaben am Leben.

"Nach meinem christlichen Verständnis darf es einfach nicht sein, dass Bedürftige mit ihren Nöten alleingelassen werden und nicht einmal die Chance auf etwas Grundlegendes wie eine warme Mahlzeit haben", findet die engagierte Gemeindeschwester.

(pbm)
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