Solingen jubelt Erst WM-Titel, dann Glückwünsche an die Oma
Solingen · Christoph Kramer hat Geschichte geschrieben - und danach ein rührendes Interview gegeben. Unterdessen feierten die Fans ausgelassen.
Nach dem erlösenden Schlusspfiff kannte der Jubel beim Public Viewing im Theater und Konzerthaus (oben) keine Grenzen. Von hier aus strömten die Massen anschließend in die Innenstadt und feierten um Mitternacht den Weltmeister-Titel.
Foto: Nach dem erlösenden Schlusspfiff kannte der Jubel beim Public Viewing im Theater und Konzerthaus (oben) keine Grenzen. Von hier aus strömten die Massen anschließend in die Innenstadt und feierten um Mitternacht den Weltmeister-Titel. KempnerAls die Schlacht geschlagen, das Spiel gewonnen war, steht Christoph Kramer in den Katakomben des Maracanã-Stadions schüchtern lächelnd neben Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger und blickt in die Fernsehkamera. "Geht ab heute", ruft Schweinsteiger den Münchnern zu. "Nehmt Kölle auseinander", fordert Lukas Podolski die Domstädter auf. Und Christoph Kramer? Der grüßt seine Oma.
Es ist der größte Moment in seiner noch jungen Karriere, in dem der 23-Jährige daran denkt, dass seine Oma heute Geburtstag hat. "Ich konnte sie nicht erreichen", sagt er und gratuliert, obwohl er eigentlich sicher ist, dass sie es am anderen Ende der Welt nicht sehen wird: "Wahrscheinlich schläft sie schon."
Public Viewing: Solingen fiebert beim WM-Finale mit
Doch Oma Erika hat alles gesehen: Den Moment, in dem klar ist, dass ihr einziger Enkel im WM-Finale in der Startformation stehen wird. Den Moment, in dem Kramers Kopf mit voller Wucht an die Schulter von Argentiniens Ezequiel Garay prallt und der 23-Jährige benommen liegen blieb. Den Moment, als er in der 31. Minute mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ausgewechselt wird. Und natürlich den Moment, in dem Kramer den goldenen Pokal in den Himmel von Rio stemmt.
"Das hätten wir nie geglaubt", sagt sie einen Tag später, noch immer sprachlos. Doch die anschließende Reaktion vor der Kamera sei typisch für ihn, sagt Oma Erika: "Christoph war schon immer sehr aufmerksam." Zum Geburtstag habe er immer angerufen oder SMS geschrieben, wenn er nicht dabei sein konnte, weil mal wieder Training oder ein Spiel anstand. Nun, im WM-Finale, war es eben eine Fernsehbotschaft.
Aufmerksam, bodenständig, sympathisch - so wirkt Christoph Kramer nicht nur auf dem Bildschirm. Nachbarn in Mönchengladbach, wo er seit seinem Wechsel zur Borussia wohnt, beschreiben ihn als "netten Jungen von nebenan". Und Lucia Peltzer von der Bäckerei Hendricks sagt, Kramer sei ein ganz Süßer - und meint das wörtlich. Zweimal die Woche habe er in der Regel im Café vorbeigeschaut und Kuchen bestellt. "Erdbeerkuchen oder auch gedeckter Apfelkuchen", sagt die Mitarbeitern. Und zwar mit einer doppelten Portion Sahne und dazu Kakao. Beim nächsten Besuch wolle sie ihm gratulieren.
Solingen feiert den deutschen WM-Titel
Auch bei Oma Erika steht das Telefon seit dem Titelgewinn nicht mehr still. Freunde, Bekannte, alle rufen an, um ihr zu gratulieren - zum 82. Geburtstag und dem Erfolg ihres Enkels, der ohne sie wohl nie möglich geworden wäre. Sie habe ihn oft zum Training gebracht, weil die Tochter arbeiten musste. Nicht zum BV Gräfrath, wo Kramer das Kicken lernte, sondern nach Leverkusen, wo Kramer in der Jugend von Bayer 04 spielte. Noch heute schaut sie alle seine Spiele. "Ich habe mir sogar extra Sky angeschafft, um die Bundesliga-Spiele zu gucken."
Wann sie ihren Enkel das nächste Mal sieht, weiß sie noch nicht: "Die Jungs sind ja erstmal am Feiern und haben Termine. Und dann müssen sie sich auch erstmal ausschlafen."
